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Kirgistan: „Wir haben beachtliche Arbeit geleistet“

Seniorinnengruppe sitzt bei einer Veranstaltung

Seit Anfang 2019 setzen sich das Deutsche Rote Kreuz und der Kirgisische Rote Halbmond mit finanzieller Unterstützung der Deutsche Bank Stiftung dafür ein, die vorhersagebasierte Katastrophenhilfe – Forecast-based Financing (FbF) – in Kirgistan einzuführen. Was wurde bisher erreicht? Der Koordinator des Projekts, Shavkat Abdujabarov, zieht ein Fazit der letzten eineinhalb Jahre.

Familie in Kirgistan vor ihrem maroden Haus

Erfolgreiche Tests der Frühwarnprotokolle

Seit Beginn unseres FbF-Projekts in Kirgistan haben wir beachtliche Arbeit geleistet, die der lokalen Bevölkerung zugute kam. So hat unser Team in Frühwarnprotokollen festgelegt, was zu tun ist, sobald Hitze- oder Kältewellen für eine Region zu erwarten sind. Die Entwürfe der Protokolle haben wir erfolgreich getestet: Beispielsweise nahmen im Sommer 2019 mehr als 2.000 Menschen an Sensibilisierungskampagnen und Erste-Hilfe-Kursen teil. Zugleich haben wir 1.200 Flugblätter ausgegeben, um Wissenslücken der Bevölkerung in Bezug auf die Folgen von Hitzewellen zu füllen.

Im Januar 2020 erhielten die 100 schutzbedürftigsten Familien – rund 400 Personen – in sechs Gemeinden der Provinz Naryn wichtige Hilfsgüter wie Kohle, Decken und Isolierungsmaterial, um sich vor extremer Kälte schützen zu können.

Rothalbmondhelfer entladen Hilfsgüter von LKW
Forecast-based Financing in Kirgistan: Die im Januar 2020 verteilten Wärmepakete bestanden aus Matratzen, Decken, Boden- und Fensterisolierungsmaterial sowie einer elektrischen Heizung und Kohle.

Vernetzung wichtiger Akteure

Unser Projekt hat darüber hinaus wesentlich dazu beigetragen, die Zusammenarbeit zwischen den Schlüsselakteuren – also dem Roten Halbmond, dem Nationalen hydrometeorologischen Dienst und dem Katastrophenschutzministerium – in Bezug auf die Bewältigung extremer Naturkatastrophen im Land zu verbessern. Gleichzeitig haben wir wichtige Grundlagenarbeit geleistet. Schließlich ist der FbF-Mechanismus sowohl in Kirgistan als auch in ganz Zentralasien neu. Neben den eigentlichen Projektaktivitäten haben wir deshalb Anstrengungen unternommen, um den lokalen, staatlichen und nichtstaatlichen Interessengruppen das Prinzip der vorausschauenden Hilfe zu erörtern – etwa Gemeindevorstehern, aber auch dem Vizepremierminister Kirgistans, Zhenish Razakov, der die neue Vorgehensweise als Erweiterung der herkömmlichen Katastrophenhilfe sehr begrüßte.

Wir haben Kontakte zu Partnern aus der Regierung – etwa dem Gesundheitsministerium – sowie zu UN-Institutionen wie der Weltgesundheitsorganisation, des Welternährungsprogramms oder dem Büro der Vereinten Nationen für die Verringerung des Katastrophenrisikos, der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, Ärzte ohne Grenzen und des IKRK geknüpft bzw. gepflegt, um Kooperationen im Rahmen des Projekts aufzubauen. Ein runder Tisch für verschiedene Interessengruppen im März 2019 bildete beispielsweise einen wichtigen Auftakt, um relevante Partner für unser Projekt auszumachen und eine gute Umsetzung in Kirgistan zu gewährleisten. In nachfolgenden individuellen Treffen haben die Beteiligten weitere Schritte der Zusammenarbeit ausführlich besprochen.

Eine Bezeichnung, verschiedene Erwartungen

Was sich zu Beginn der Umsetzung unseres Projekts ebenso zeigte, ist, dass die Bezeichnung „Forecast-based Financing” – wortwörtlich übersetzt vorhersagebasierte Finanzierung – falsche Erwartungen in den Gemeinden hervorrief. „Finanzierung” bezieht sich in unserem Ansatz darauf, dass aufgrund von Wettervorhersagen frühzeitig Gelder freigegeben werden, um Hilfe vor dem Extremwetter möglich zu machen. Wie diese Hilfe aussieht, ist individuell und genau festgelegt in den Frühwarnprotokollen. Um Missverständnissen vorzubeugen, sprechen wir in unseren Informationskampagnen vor Ort nun von „Forecast-based Action”, also Aktivitäten.

Hitzewellen wurden bisher kaum beachtet

Bei der Umsetzung unseres Projekts haben wir wichtige Erfahrungen gemacht. So wurden Hitzewellen im Gegensatz zu Dürren weder von der kirgisischen Regierung noch von der lokalen Bevölkerung als Katastrophe angesehen, denn sie haben keine visuellen Auswirkungen wie andere Katastrophen, etwa die Zerstörung von Gebäuden oder Straßen. Das ist wohl eine Ursache dafür, dass es nur unzureichende offizielle Daten über die Auswirkungen von Hitzewellen gab, die wir für unser entsprechendes Frühwarnprotokoll nutzen konnten. Diese Tatsache führte zu unerwarteten Abweichungen von unserem Projektplan. Schließlich konnten weder staatliche Institutionen noch die Bevölkerung eindeutig auf bestimmte historische Auswirkungen von Hitzewellen hinweisen.

Portrait von drei kirgisischen Mädchen
Es gibt Hinweise darauf, dass Kinder im Falle von Hitzewellen häufiger unter Magen-Darm-Infektionen leiden.

Nach umfassenden Analysen in allen Bereichen – zum Beispiel Landwirtschaft und Gesundheit – haben wir die Auswirkungen auf die Gesundheit als Priorität ausgewählt. Die vom Gesundheitsministerium bereitgestellten Primärdaten ergaben zwar kein klares Bild der Auswirkungen auf die Gesundheit, die Häufigkeit der Magen-Darm-Infektionen zeigte jedoch, dass Kinder anfällig für Hitzewellen sind.

Wir werteten weitere Studien aus und auch hier zeigte sich ein Zusammenhang zwischen Hitze und der Erkrankungshäufigkeit bei Magen-Darm-Infektionen. Leider waren die Ergebnisse der meisten Untersuchungen nicht konsistent und wiesen viele Lücken auf. Damit mussten wir umgehen.

Kirgisische Bergkette aus Flugzeug fotografiert
Ein im Mai geplanter Besuch von Vertretern der Deutsche Bank Stiftung, die das FBF-Projekt finanziert, konnte wegen Corona nicht stattfinden.

COVID-19 und seine Auswirkungen

Die weltweite COVID-19-Pandemie erfasste im Frühjahr 2020 auch Kirgistan, Mitte März erließ die Regierung strikte Beschränkungen und Quarantänemaßnahmen, um die Verbreitung der Infektion einzudämmen. Am 22. März rief sie den Notstand aus. Für unser Forecast-based-Financing-Projekt bedeutete das, unser Team umzustrukturieren und Planungen anzupassen. Einzelne Maßnahmen wie Workshops und Tagungen, die viele Menschen involvieren, führen wir später durch und Mitarbeiter haben Aufgaben im Homeoffice weitergeführt.

Kinder, Frau und Rothalbmond-Helfer stehen beieinander
So viel Nähe war und ist während der Corona-Pandemie nicht möglich. Die Rothalbmondmitarbeiter wurden ins Homeoffice geschickt.

Die Quarantänezeit haben wir vor allem dazu genutzt, um gemeinsam mit unseren Kollegen im DRK-Generalsekretariat und den Experten des Rotkreuz-Rothalbmond-Klimazentrums unser Hitzewellen-Frühwarnprotokoll samt Budgetplan zu finalisieren, sodass wir es bei der Internationalen Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmond-Gesellschaften einreichen. Darauf sind wir sehr stolz, denn es ist ein wichtiger Meilenstein in unserem Projekt. Auch sind wir froh, dass wir trotz der Pandemie viel geschafft haben und sie das Projekt nicht erheblich aufgehalten hat.

Ich freue mich auf die nächsten Aufgaben

Mein Fazit der letzten eineinhalb Jahre Arbeit ist also sehr gut: Wir haben Hürden gemeistert und das Projekt erhält viel positive Resonanz. Die Tests der Frühwarnprotokolle beispielsweise, einschließlich aller Sensibilisierungskampagnen an öffentlichen Orten, wurden möglich, weil sich die Bevölkerung aktiv beteiligt hat und die Zusammenarbeit mit lokalen Behörden und anderen Kooperationspartnern reibungslos ablief.

Ich bin gespannt auf die nächsten Monate, denn wir haben ehrgeizige Pläne. Schließlich wollen wir nicht nur das Frühwarnprotokoll für das Kältewellenszenario mit Budgetplan fertigstellen, um es beim IFRC einzureichen und für die Wintersaison gerüstet zu sein. Wir bereiten uns gleichzeitig intensiv auf eine Hitzewelle in diesem Sommer vor.

Schon in den letzten Wochen waren die Temperaturen in Zentralasien überdurchschnittlich hoch. Und die Daten der Experten vom Hydrometeorologischen Dienst sowie dem Rotkreuz-Rothalbmond-Klimazentrum deuten auf große Hitze im Juli und August hin.

Fotos: S.Abdujabarov/DRK; N.Chynalieva/DRK; K. Puche/DRK
Übersetzung und Redaktion: Marina Schröder-Heidtmann

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