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Kirgistan-Serie: Ein Stück Sicherheit bei klirrender Kälte

Kühe auf verschneiter Weide in Kirgistan

Anarkul Narynbekova ist Lehrerin aus vollem Herzen. Ihre Einkünfte sind jedoch zu knapp, um ihre Familie ausreichend für Kältewellen zu wappnen, die in Kirgistan immer häufiger auftreten. Die vorausschauende humanitäre Hilfe des Kirgisischen Roten Halbmonds kommt Familien wie ihrer zugute.

„Der Winter ist eine Kraftanstrengung“

Kirgisin vor Jurte
Aufgewachsen ist Anarkul Narynbekova im Nachbardorf Taldy-Suu. Seit ihrer Heirat vor 21 Jahren lebt sie in Özgörüsh.

Anarkul Narynbekova sagt: „Ich liebe meine Arbeit“. Die 41-Jährige ist eine von 23 Lehrkräften an der Dorfschule im kirgisischen Özgörüsh. Jeden Tag unterrichtet sie Mädchen und Jungen ab sieben Jahren in 15 bis 25 Kinder starken Klassen – meist in Geografie, aber auch anderen Fächern.

Als Lehrerin hat Anarkul Narynbekova einen guten Überblick über die Probleme in ihrem Dorf. Gerade im Winter, der in ihrer Region Naryn häufig sehr hart ist, haben viele Familien zu kämpfen: „Der Winter ist für alle eine Kraftanstrengung, Kinder und Nutztiere ringen mit der Kälte. Wenn es kalt ist, müssen die Menschen Maßnahmen ergreifen, um warm zu bleiben: passende Kleidung anziehen, nicht zu lange draußen bleiben und so weiter“, sagt sie. Dieses Jahr hat der Winter sehr früh begonnen. Bereits Mitte November lagen die Temperaturen in der Region mit bis zu -15 °C niedriger als im Durchschnitt. Die Zeit, um sich auf die kalte Saison vorzubereiten, war kürzer als sonst.

Kirgisin bäckt Fladenbrot in Jurte
Den größten Teil des Jahres kümmert sich Anarkul Narynbekova allein um ihre sieben Kinder, denn ihr Mann ist Gastarbeiter in Russland. Hier backt sie ein Fladenbrot in ihrer Sommerbehausung, einer Yurte.

Anarkul Narynbekova ist froh, dass ihre Schule recht neu und mit einem guten Heizsystem ausgestattet ist. Die 153 Schulkinder müssen dort nicht frieren. Zuhause jedoch sieht es für eine Reihe von Kindern anders aus – auch für ihre eigenen.

Esel vor marodem Schuppen
Immer wieder müssen Familien in Kirgistan ihre Nutztiere – Kühe, Pferde oder Schafe – bei Kältewellen verkaufen, um Kohle bezahlen zu können.

Armut trotz Arbeit

Denn trotz ihrer wichtigen Tätigkeit als Lehrerin gehört Anarkul Narynbekovas Familie zu den Bedürftigen des Dorfes. Ihr Einkommen von 8.000 Soms monatlich, rund 80 Euro (Stand 23.11.2020), und das Einkommen ihres Mannes Mairambek, das er als Gastarbeiter in Russland verdient, reichen nicht für ein sicheres Auskommen der neunköpfigen Familie. „Das Haus heizen und warme Kleidung für die Kinder bezahlen zu können, sind unsere dringendsten Probleme im Winter“, erzählt sie. Meist kaufen sie nur getrockneten Dung mit geringem Brennwert zum Heizen, Kohle ist zu teuer. Kältewellen, die in Kirgistan regelmäßig auftreten, stellen so eine ernste Bedrohung für die Familie dar.

Winterhilfsgüterverteilung vor Gemeindehaus
Wärme für die Bedürftigsten: Beginn einer Hilfsgüterverteilung in der Region Naryn im Januar 2019.

Gewappnet für kommende Kältewellen

Um gefährdete Haushalte wie Anarkul Narynbekovas im Ernstfall zu unterstützen, hat sich der Kirgisische Rote Halbmond auf Kältewellen vorbereitet. Im Zuge des Projekts zur vorausschauenden humanitären Hilfe, das der Rote Halbmond gemeinsam mit dem DRK und finanzieller Förderung durch die Deutsche Bank Stiftung durchführt, sind bereits wichtige Hilfsgüter wie Kohle, Decken und Isoliermaterial für 300 Familien eingelagert. Diese können nun verteilt werden, sobald sich in den Wettervorhersagen eine Kältewelle abzeichnet. Auch Informationsmaterial über die Vermeidung gesundheitlicher Beeinträchtigungen durch extreme Kälte, einschließlich Erste-Hilfe-Maßnahmen bei kältebedingten Notfällen wie Unterkühlung und Erfrierungen, stehen zur Ausgabe bereit.

Teekanne und Wasserkessel in Durchreiche
Neben den bleibenden Hilfsgütern werden auch Lebensmittelpakete verteilt, die Mehl, Zucker, Tee, Salz, Nudeln, Reis, Buchweizen, Erbsen, Öl und Schokoladenaufstrich beinhalten.

Ziel dieser Vorbereitungen ist es, Betroffenen bei drohenden Kältewellen so schnell zu helfen, dass Schäden minimiert oder gar verhindert werden können. Im Rahmen des Projekts der vorausschauenden humanitären Hilfe bereitet sich der Rote Halbmond jedoch nicht nur auf Kältewellen vor. Auch in Kirgistan übliche Hitzewellen im Sommer sind Gegenstand der Arbeit. Innerhalb der dreijährigen Laufzeit werden auch verlässliche Abläufe innerhalb des Roten Halbmonds geschaffen und die Schulung von Freiwilligen sichergestellt, sodass die vorausschauende Hilfe am Ende des Projekts reibungslos funktioniert.

kirgisische Kinder mit Rucksack vor Haus
Auch Schulbildung ist ein Kostenfaktor: Wie in Deutschland kommen die Eltern in Kirgistan für das Schulmaterial ihrer Kinder auf

Sicherheit gibt Raum zum Leben und Lernen

Schon im vergangenen Winter gehörte Familie Narynbekova zu den Haushalten, die Hilfsgüter vom Kirgisischen Roten Halbmond erhalten haben: unter anderem Lebensmittel, Kohle und Matratzen, Decken, Isoliermaterial und Heizkörper. Dinge, die ihnen geholfen haben, die kältesten Winterwochen gut zu überstehen. Dinge, die die Ängste der Mutter ein kleines bisschen lindern helfen: Ihre größten Sorgen sind das Wohlergehen und die Zukunft ihrer Kinder. Nur wenn sie sicher sein kann, dass es ihrer Familie gut geht, kann sie sich mit voller Kraft ihrer Arbeit widmen und die Kinder ihrer Schule bei einem guten Lebensstart unterstützen. Einige ihrer Schülerinnen und Schüler eifern ihr bereits nach: „Sie träumen von verschiedenen Berufen, vor allem wollen sie Lehrer oder Ärzte werden.“

Anmerkung: In diesem und folgenden Artikeln wird Forecast-based Financing als “vorausschauende humanitäre Hilfe” übersetzt. Der Ansatz wurde inhaltlich im Vergleich zu der, möglicherweise aus vorherigen Beiträgen bekannten Begrifflichkeit der “vorhersagebasierten Katastrophenhilfe”, jedoch nicht verändert.

Fotos: S. Abdujabarov/DRK, N. Chynalieva/DRK
Text: Marina Schröder-Heidtmann

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