Nach über zwölf Jahren Gewalt und Zerstörung ist die Not in Syrien größer denn je. Jetzt müssen die Menschen auch noch die Auswirkungen eines der schwersten Erdbeben bewältigen, das die Region je erlebt hat.
Als am 6. Februar etwa 33 Kilometer nordwestlich der Stadt Gaziantep die Erde bebt, ist die Bevölkerung völlig unvorbereitet. Schon das erste Beben verursacht enorme Schäden in der Türkei und in Syrien. Es folgen zahlreiche Nachbeben. Selbst in der Nähe der 110 Kilometer vom Epizentrum entfernten Stadt Aleppo stürzen Häuser ein.
Insgesamt fallen mehr als 52.000 Menschen den Beben zum Opfer. Über Hunderttausend werden verletzt. Unmittelbar nach der Katastrophe starten erste Transporte des DRK mit Hilfsgütern per Flugzeug und LKW-Konvoi in die Türkei. Den Syrischen Arabischen Roten Halbmond (SARC) unterstützt das DRK mit einer mobilen Gesundheitseinrichtung. In einer gemeinsamen Anstrengung mit unserer Schwestergesellschaft stellen wir Decken, Mahlzeiten und Unterkünfte bereit. Psychosoziale Fachkräfte bieten Traumatisierten Unterstützung an. Und ein DRK-Hilfsflug bringt 20 Tonnen dringend benötigte Medikamente nach Damaskus.
6,8 Millionen Menschen
wurden aufgrund von Gewalt innerhalb Syriens vertrieben.
8,8 Millionen Menschen
in Syrien sind vom Erdbeben betroffen.
15,3 Millionen Menschen
in Syrien benötigen humanitäre Hilfe.
Ein halbes Jahr später ist die Situation weiterhin sehr schwierig. „Die Menschen in Syrien sind einfach erschöpft. Über zwölf Jahre Konflikt haben sie zermürbt“, berichtet Christine Rohe, DRK-Länderreferentin Krisen Nahost. „Dann kam die Covid-Krise hinzu. Letztes Jahr gab es einen großen Cholera-Ausbruch. Und nun hat das schwere Erdbeben noch mehr Leid und Not über die Bevölkerung gebracht.“
Neun von zehn Syrerinnen und Syrern sind mittlerweile von Armut betroffen. Allein im Norden des Landes leben eine Million Menschen in Zelten und notdürftigen Unterkünften. Selbst Nahrung, Trinkwasser und Medikamente fehlen. Der Import grundlegender Güter ist seit der Covid-Krise noch komplizierter geworden. „Medikamente, die wir im Juli 2022 bestellt haben, sind nach einem Jahr immer noch nicht eingetroffen. Außerdem hat der Ukraine-Krieg dazu beigetragen, dass Lebensmittel und andere Güter deutlich teurer geworden sind“, fasst Christine Rohe die katastrophale Versorgungslage zusammen.
Das DRK arbeitet seit 2012 mit dem SARC zusammen. In Aleppo unterstützen wir das SARC-Kinderkrankenhaus. „Es ist die einzige spezialisierte Kinderklinik für die gesamte Region, in der sechs Millionen Menschen leben. Sie ist eine von wenigen Einrichtungen, in denen Hilfe kostenlos angeboten wird. Die meisten Menschen in Syrien können es sich nicht leisten, für ihre Behandlung zu bezahlen“, erläutert Christine Rohe.
Die Zahl der Patientinnen und Patienten ist seit dem Erdbeben stark gestiegen. Das Klinikpersonal arbeitet am Ende seiner Belastungsfähigkeit. Darum stellen wir Gelder bereit, um 17 zusätzliche Pflegekräfte und elf weitere Mitarbeitende zu beschäftigen. Außerdem schicken wir Medikamente sowie Sauerstoffflaschen für die Intensivstation und unterstützen den Betrieb von Inkubatoren. „An die Klinik sind weitere Gesundheitseinrichtungen angeschlossen, in denen Frauen kostenlos Schwangerschaftsvor- und -nachsorge erhalten und begleitet von Hebammen sicher entbinden können“, führt Christine Rohe aus.
Die gemeindebasierte Gesundheitsaufklärung gibt darüber hinaus Hilfe zur Selbsthilfe: SARC-Freiwillige schulen lokale Gesundheitsteams. Die zu 50 Prozent aus weiblichen Kräften bestehenden Teams identifizieren in ihren Gemeinden Gesundheitsrisiken und helfen ihren Nachbarinnen und Nachbarn, Gefahren vorzubeugen, zum Beispiel durch Hygienetipps.
„Die Rückmeldungen aus den Gemeinden zeigen, dass unsere Arbeit einen positiven Einfluss auf ihr Leben hat. Sie entwickeln gesündere Verhaltensweisen“, berichtet eine SARC-Freiwillige stolz.