Eine traurige Bilanz der diesjährigen Überschwemmungen im Sudan: 41 Tote, 84.000 zerstörte oder beschädigte Häuser und mehr als 450.000 betroffene Menschen. Auch Akippi und Didinga Omer* aus Aj Jazirah sind von den schweren Überschwemmungen betroffen. Sie erinnern sich an jene Nacht: „Als wir schliefen, hat es stark geregnet. Leider war das Dach unseres Hauses undicht.“ Plötzlich war alles auf dem Boden nass, ihr Hab und Gut schwamm auf dem Wasser. „Dann kam eine Sturzflut auf uns zu, die Geschwindigkeit des Wassers war so hoch. Es hat das meiste von unseren Sachen mitgenommen.“ Didinga Omer* zeigt auf ein schmales Bett, einen alten Koffer, ein paar Schüsseln und etwas Geschirr: „Was Sie jetzt sehen können, ist alles, was uns geblieben ist.“
Doch damit nicht genug. Das Ehepaar hörte plötzlich ihr Haus knacken. „Wir befürchteten, dass es auf uns fallen würde und flohen schnell in höher gelegene Gebiete“, lassen die beiden ihre Erlebnisse Revue passieren [Anm. der Red.: Der Evakuierungsort ist nah am Haus der Familie, auf den Fotos unten aber nicht sichtbar]. Didinga Omer* ergänzt: „Meine Frau hatte solche Angst, dass wir um unser Leben liefen. Während ich versuchte, meine Frau zu trösten, hörten wir die Schreie der Nachbarn – ihre Häuser stürzten ein. Wir begannen zu helfen, um die Kinder und älteren Menschen aus den Trümmern zu holen.“
Um Menschen wie Familie Omer* und ihren Nachbarn zu helfen, waren 300 Freiwillige des Sudanesischen Roten Halbmonds im Einsatz. Sie retteten Menschen, leisteten Erste Hilfe und bereiteten Trinkwasser auf. Sie besuchten Binnenvertriebene, die als Entwurzelte in häufig dürftigen Unterkünften ein provisorisches Leben führen und damit besonders gefährdet sind für schwere Folgen bei Unwettern. An die am meisten von den Fluten betroffenen Menschen verteilten die Freiwilligen des Roten Halbmonds wichtige Hilfsgüter, etwa Plastikplanen, Decken, Schlafmatten und Moskitonetze sowie Küchensets, Kanister und Hygieneartikel. Zudem sensibilisierten sie die Bevölkerung mit Kampagnen zur Umwelthygiene für Gesundheitsgefahren durch die Überschwemmung – etwa die Zunahme von Moskitos durch stehendes Wasser oder Ungeziefer durch Müll.
In Notfalleinsatzzentralen und einem Katastrophenschutzzentrum wurde der Einsatz der Kräfte koordiniert. Dabei arbeitete der Sudanesische Rote Halbmond mit wichtigen Akteuren wie Behörden, dem Nationalen Rat für Zivilschutz oder dem Technischen Ausschuss für Hochwasser zusammen.
Bis Hilfe ankommt, kann es dauern. Akippi und Didinga Omer* erinnern sich, dass sie nach der Katastrophe einen Tag nichts aßen. Zuwege waren überflutet oder beschädigt. Gleichzeitig wurden an allen Ecken und Enden Helfende gebraucht. So hatte Familie Omer* Glück, dass ihnen nichts Schlimmeres zugestoßen ist.
Um Not und Leid künftig vorzubeugen, will der Sudanesische Rote Halbmond die vorausschauende humanitäre Hilfe (Forecast-based Financing) im Land einführen. Ziel ist es, mit Hilfe professioneller Vorhersagen über Wetter- und Niederschlagsmengen Voraussagen zu treffen, wann Überschwemmungen wahrscheinlich werden. So kann die Hilfe schon vor der Katastrophe anlaufen.
Allein die frühe Warnung vor der Überschwemmung und die Sensibilisierung der Bevölkerung für die Gefahren trägt dazu bei, dass die Menschen sich und ihre wichtigsten Besitztümer rechtzeitig in Sicherheit bringen können. Gleichzeitig können Freiwillige in bedrohten Gemeinden beispielsweise bereits Chlortabletten verteilen, um die Versorgung der Menschen mit sauberem Wasser zu gewährleisten. Auch Nahrungsmittel oder humanitäre Geldleistungen können den Betroffenen helfen, sich besser vorzubereiten und die Situation besser zu bewältigen.
Seit Beginn 2022 arbeitet der Rote Halbmond im Sudan daran, die Voraussetzungen für die vorausschauende humanitäre Hilfe im Land zu schaffen – etwa eine Kooperation mit dem nationalen Wetterdienst zu etablieren, Mitarbeitende zu schulen oder besonders gefährdete Testgemeinden auszumachen.
Das Deutsche Rote Kreuz unterstützt seine Schwestergesellschaft dabei. In den kommenden Jahren entsteht dann ein sogenanntes Frühwarnprotokoll. Darin ist festgehalten, unter welchen konkreten Umständen die Hilfe anläuft und wer im Notfall was zu tun hat.
Didinga Omer* begrüßt diesen Plan: „Ich finde die Idee gut – wir wollen uns einfach sicher fühlen. Wir freuen uns darauf, an der Entwicklung von Frühwarnsystemen und der Einführung der vorausschauenden humanitären Hilfe beteiligt zu sein.“
*Name geändert
Fotos: Maya Manocsoc/DRK; IFRC
Text: Marina Schröder-Heidtmann