Er ist Sozialarbeiter und Seelsorger, Stadtplaner, Landwirt und vieles mehr, alles in einer Person: Tölöbek Amankulov. Seit zehn Jahren engagiert sich der 51-Jährige als Ortsvorsteher in seinem Heimatdorf Özgörüsh, 80 Kilometer südöstlich der kirgisischen Stadt Naryn. In dieser Rolle kümmert sich Tölöbek Amankulov um alle Aspekte des Dorflebens und ist für das DRK Ansprechpartner rund um die Umsetzung des Forecast-based-Financing-Pilotprojekts zur vorausschauenden Katastrophenhilfe. Aus gutem Grund, denn der fünffache Vater kennt die Menschen und Herausforderungen seiner Gemeinde genau, er ist selbst dort geboren und aufgewachsen.
Die Leidenschaft für seine Gemeinde und seine Arbeit als Dorfvorsteher ist eine leise. Sie äußert sich eher in Taten, denn Tölöbek Amankulov ist kein Mann großer Worte: „Ich will nützlich sein für die Menschen, mit denen ich in meiner Gemeinde zusammenlebe“, sagt der 51-Jährige auf die Frage nach dem, was ihn antreibt. So wird Tölöbek Amankulov trotz aller Herausforderungen – vielleicht auch genau deshalb – nicht müde, sich für seine Mitmenschen einzusetzen.
„Ich führe Projekte zur Entwicklung unserer Gemeinde durch und wende mich dafür an Behörden und Ämter, Abgeordnete und Sponsoren“, beschreibt er seine Arbeit. „So können wir viele Probleme lösen.“ Besonders stolz ist er auf den Bau der Schule, die neben dem Kindergarten, der Sanitäts- und Hebammenstation sowie der Poststelle die einzige öffentliche Einrichtung im Dorf darstellt. Seine neuesten Ziele sind die Sanierung des Sportraums der Schule, die Installation von Bewässerungskanälen und natürlich der Erfolg des Forecast-based-Financing-Projekts, das das DRK und der Kirgisische Rote Halbmond mit finanzieller Unterstützung der Deutsche Bank Stiftung durchführen.
Ursprüngliche Natur und imposante Ausblicke auf die Berge prägen Tölöbek Amankulovs Heimatdorf. Özgörüsh gehört zu Naryn, der größten Provinz in Kirgistan – mit 45.000 km² Fläche entspricht sie in etwa der Größe Estlands – und ist gleichzeitig auch eine der ärmsten des Landes. Rund 1.300 Meter über dem Meeresspiegel leben dort 287.000 Menschen in zahlreichen abgelegenen Dörfern.
Auch Özgörüsh ist nur durch eine schlecht ausgebaute Straße zu erreichen. Das Leben dort ist einfach. Rund 40 Prozent der Menschen in der 715-Seelen-Gemeinde leben in Armut. „Der Anteil der Bevölkerung ohne Arbeit ist hoch, doch auch jene, die arbeiten, verdienen nicht viel“, sagt Tölöbek Amankulov. Auch er gehört zu denen, die kaum von ihrem Einkommen leben können.
Wie viele Menschen in seinem Heimatort lebt der Gemeindevorsteher von der Viehzucht. „Rund 100 Dollar Einkommen kann ich damit im Monat erwirtschaften.“ Weil das häufig nicht ausreicht für die siebenköpfige Familie – die jüngste Tochter ist gerade sieben Jahre alt, der älteste Sohn 29 –, helfen die großen Kinder immer wieder aus. „Sie übernehmen in der Hauptstadt Saisonarbeiten“, erzählt Tölöbek Amankulov.
Andere Gemeindemitglieder leben vom Feldbau, doch auch ihr Verdienst ist bescheiden. Raue klimatische Bedingungen, lange Winter und kurze Sommer, begrenzen die Erträge deutlich. Ohnehin zählt das Klima zu einem der größten Herausforderungen im Dorf. Während der Winterzeit versuchen viele Bewohnerinnen und Bewohner den harten Bedingungen zu entfliehen und finden Möglichkeiten, in Kirgistans Hauptstadt Bischkek zu bleiben. „Unsere Einwohnerzahl sinkt dann auf 500 Personen“, so der Dorfvorsteher.
Neben Problemen mit der Trinkwasserversorgung sorgt sich Tölöbek Amankulov zudem um die 31 Menschen mit Behinderungen in seiner Gemeinde, darunter 12 Kinder. Ihnen machen die schwierigen Lebensbedingungen besonders zu schaffen.
Die Frage, warum er das Forecast-based-Financing-Projekt unterstützt, beantwortet der Dorfvorsteher ganz pragmatisch: „Ich bin grundsätzlich daran interessiert, mich an Projekten für mein Heimatdorf zu beteiligen.“ Er ist bereit, in allen Fragen zu helfen, die notwendigen Informationen für das Projekt zu sammeln und, wenn es dann ernst wird, frühzeitige Hilfsmaßnahmen mit einzuleiten. Und so ist Tölöbek Amankulov zuversichtlich: „Das Projekt wird den am stärksten gefährdeten Menschen in unserem Dorf helfen, zum Beispiel durch die Verteilung von Decken, Heizgeräten oder wärmenden Matratzen an kinderreiche Familien, Senioren und Menschen mit Behinderungen.“
Fotos: N.Chynalieva/DRK; Karte: DRK
Text: Marina Schröder-Heidtmann