Sehr kalte Winter und heiße Sommer sind in Zentralasien nichts Ungewöhnliches. Doch es wird immer deutlicher, dass der Klimawandel längst seinen Tribut fordert. Ich persönlich bemerke, dass die Jahreszeiten extremer ausgeprägt und uneinheitlich lang sind – die Sommer beispielsweise heißer, dafür aber kürzer sind als üblich. Die Hitzewelle in diesem Sommer scheint dafür ein Beispiel zu sein. 46 Grad Celsius gelten selbst hier als Extremwetter.
Das hat ernste Folgen, vor allem für Menschen mit Herzproblemen oder Bluthochdruck. Die Hitze macht ihnen schwer zu schaffen und auch ihr Sterblichkeitsrisiko steigt. Allerdings belasten erhöhte Temperaturen gesunde Menschen ebenso. Lkw-Fahrer, Straßenarbeiter oder Bauern zum Beispiel leiden darunter, bei ihrer Arbeit solcher Hitze ausgesetzt zu sein – auf der anderen Seite müssen sie Geld verdienen. In ländlichen Gebieten können sich viele Menschen zudem keine Klimaanlage leisten, weshalb sie Ventilatoren nutzen, welche die Körperflüssigkeit schneller verdunsten lassen. Das führt dazu, dass gesunde Menschen schneller erschöpft und erkrankte Menschen zusätzlich belastet sind.
Gut, dass die Wettervorhersagen heute sehr zuverlässig sind und es bereits vor der Hitzewelle eine Warnung gab. Für uns im Forecast-based-Financing-Projekt des DRK ist das der Startschuss, um aktiv zu werden. So haben wir schnellstmöglich Sensibilisierungskampagnen durchgeführt, damit die Menschen sich zu schützen wissen. Auf Veranstaltungen haben sie erfahren, wie sie Hitzeschlägen vorbeugen können, wie man diese erkennt und wie man im Ernstfall helfen kann. Die Behörden haben es uns ermöglicht, an öffentlichen Plätzen viele Menschen zu erreichen und die Bevölkerung ihrerseits war aktiv daran beteiligt, die Informationen, zum Beispiel in Form von Flyern, weiterzutragen.
In Tadschikistan ging die Hilfe noch weiter: Bereits zwei Tage nach der Alarmierung gelang es unseren Kollegen, in Zusammenarbeit mit den Regierungsbehörden, Trinkwasser in dem besonders stark betroffenen Dorf Orzu zu verteilen. Über einen Zeitraum von 31 Tagen erhielten 180 Haushalte, rund 900 Menschen, täglich 13.500 Liter Wasser – insgesamt 418.500 Liter. Ich bin stolz darauf, dass wir mit unserem Projekt dazu beitragen konnten, Leid und gesundheitliche Probleme abzuwenden.
Wie in Orzu, wo der Brunnen komplett ausfiel, wollen wir mit unserer Hilfe die Menschen erreichen, deren Not am größten ist, die anfälligsten Gemeinden. Dafür haben wir schon im Vorfeld umfangreiche Untersuchungen durchgeführt, auch in Zusammenarbeit mit dem Klimazentrum der Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung, mit Behörden und Ministerien, der Agentur für Hydrometeorologie und internationalen Organisationen.
Wir haben verschiedenste Menschen befragt – von Arbeitern bis Beamten, von Schwangeren und Kindern bis hin zu Menschen mit Behinderungen –, um unsere Hilfe an den dringendsten Bedürfnissen auszurichten, die hier besonders von den gesundheitlichen Hitzefolgen und Armut bestimmt sind.
All unsere Erkenntnisse fließen in die Entwicklung von Frühwarnprotokollen ein, in denen konkrete Hilfsmaßnahmen für den Fall einer Hitzewelle dokumentiert sind. Diese Hitzewelle bot uns die Chance den Entwurf des Frühwarnprotokolls in Tadschikistan zu testen. Die finalen Frühwarnprotokolle für beide Länder werden in Genf bei der Internationalen Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmond-Gesellschaften validiert.
Es macht mich sehr zufrieden, dass wir in der kurzen Projektlaufzeit eine so gute Zusammenarbeit und Koordination mit den lokalen Behörden erreicht haben. Auch die Rückmeldung aus den betroffenen Gemeinden ist sehr motivierend, der Dank ist groß. Dennoch haben wir noch einen weiten Weg vor uns. Leicht verständliche Informationsmaterialien zu entwickeln, die auch Kinder und Senioren sowie alle anderen Risikogruppen bei Hitzewellen umfassen, und die auch in ländlichen Gebieten verbreitet werden, ist dabei nur ein Beispiel. Ferner wird es unsere Aufgabe sein, alle Beteiligten intensiv über die Anpassung an den Klimawandel und innovative Strategien wie das Forecast-based-Financing zu schulen, denn noch immer denken viele, dass die Hilfe nach der Krise kommt.
Als übergreifendes Thema liegt es mir am Herzen, die Armut in meiner Heimat zu verringern, auch im Hinblick auf die Ziele für nachhaltige Entwicklung, die wir erreichen möchten. Natürlich liegt das nicht in der Macht unseres einzelnen Projekts. Doch mit der vorhersagebasierten Katastrophenvorsorge können wir zumindest einen Beitrag dazu leisten, die Lebensqualität der Menschen trotz Klimawandel zu verbessern. Denn wenn die Betroffenen weniger Kraft aufbringen müssen, um Katastrophen zu überwinden, bleiben ihnen mehr Ressourcen, um ihr Leben aktiv zu gestalten.“
Fotos: DRK
Übersetzung und Redaktion: Marina Schröder-Heidtmann