Offizielle Flüchtlingscamps gibt es nicht. Bei meinem Besuch in einer provisorischen Zeltstadt treffe ich auf viele Kinder, die sich sehr über den Besuch freuen: eine Abwechslung in ihrem Alltag. Stolz zeigen sie mir, wie man sich richtig die Hände wäscht. Dies ist eine der wichtigsten Lektionen des Hygienetrainings, an dem schon die Kleinsten teilnehmen.
Es ist mir wichtig zu sehen und zu verstehen, vor welchen Herausforderungen die Bevölkerung, die Geflüchteten und auch Hilfsorganisationen wie das Libanesische Rote Kreuz stehen.
Auf unserer Reise sehen wir verschiedene Projekte, die das Libanesische Rote Kreuz mit Unterstützung des DRK durchführt. Anders als in Deutschland erhalten die Geflüchteten keinen Flüchtlingsstatus, sondern sind faktisch nur Gäste im Land. Sie halten sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser, z. B. in der Landwirtschaft. Schon Kinder tragen zum Lebensunterhalt bei. Die Menschen benötigen so vieles – medizinische Versorgung, Wasser, Essen, Kochzubehör, Kleider, Hygieneartikel und Behausungen sind nach wie vor am dringendsten.
Anschließend besuchen wir eine Schule in Tripoli, der zweitgrößten Stadt des Libanon. Die Syriastreet trennt zwei Stadtbezirke, in denen es immer wieder zu Kämpfen zwischen Bevölkerungsgruppen kommt. Viele Häuserfassaden sind zerschossen. Ich erlebe die Atmosphäre beklemmend: Der Schulhof ist mit Stacheldraht gesichert, Militär ist anwesend. Die Kampfhandlungen können den Schulbetrieb jederzeit unvermittelt unterbrechen. Die Kinder müssen dann so schnell wie möglich evakuiert werden.
Wir nehmen an einer Evakuierungsübung des Libanesischen Roten Kreuzes teil. Alle Kinder machen mit, die Abläufe klappen sehr gut. Jedes Kind scheint zu wissen, was es zu tun hat. Durch die Hilfe des Roten Kreuzes kann ein Stück Sicherheit in den Schulalltag getragen werden und die Kinder erleben Hilfe in der Gemeinschaft.
Seit Beginn der Syrienkrise haben rund 1,5 Millionen Menschen Zuflucht im Libanon gesucht – mehr als die Hälfte davon sind Kinder. Anders als in der Türkei oder in Jordanien, die ebenfalls an Syrien grenzen, gibt es im Libanon keine offiziellen Flüchtlingscamps. Stattdessen leben die Geflüchteten bei Verwandten – oder in improvisierten Zeltstädten und Hütten. Der Alltag ist geprägt von Armut und fehlenden Perspektiven.
Die hohe Zahl der Geflüchteten bringt die soziale Infrastruktur im Libanon an ihre Grenzen. Daher unterstützt das Deutsche Rote Kreuz 19 Ambulanzstationen des Libanesischen Roten Kreuzes im Land, die allen offenstehen. Das DRK stellt Medikamente, Verbrauchsmaterial und Ambulanz-Fahrzeuge zur Verfügung.
Neben der medizinischen Hilfe, stehen auch lebensnotwendige Hilfsgüter wie Wassertanks, Hygienepakete und Toiletten bereit. Besonders bedürftige Familien erhalten Bargeldzahlungen, um wichtige Bedürfnisse zu decken – etwa notwendige Medikamente zu kaufen, warme Kleidung für die Kinder oder um die Miete für die Unterkunft zu bezahlen.
An Schulen wird in Trainings geprobt, wie man sich bei einem Angriff richtig verhält, wie eine Evakuierung abläuft und wie im Notfall Erste Hilfe zu leisten ist. In manchen Schulen müssen die Kinder bei bewaffneten Auseinandersetzungen in einem Bunker warten, bis die Gefahr vorüber ist. Die Schutzräume wurden instandgesetzt und vom Libanesischen Roten Kreuz mit Spielzeug ausgestattet.