Anlässlich von Kaisers Geburtstag 1912 teilt der Fabrikbesitzer Gotthard Pabst, Mitinhaber von Türk & Pabst Conserven-Delikatessen, dem Centralkomitee des Preußischen Landesvereins vom Roten Kreuz mit, dass er und seine Ehefrau Else ihre umfangreiche Wurstfabrik in Saasa mitsamt dem dazugehörigen Wohnteil zu Wohltätigkeitszwecken dem Roten Kreuz übertragen wollen.
Unter Leitung des Architekten Paul Brandes und des Maurermeisters Franz Röhrborn lässt das Rote Kreuz die Anlage dann zu einem Schwestern-Erholungsheim umbauen. Die nicht unerheblichen Kosten werden aus Spenden – teilweise auch wieder von Gotthard Pabst – und Zuschüssen des Zentralkomitees gedeckt.
Im Juli 1915, also mitten im Krieg, wird das Heim in Anwesenheit der Herzogin von Sachsen-Altenburg und anderer Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens eingeweiht. Zu Ehren der Ehefrau des Stifters erhält es den Namen Else-Haus. Das zweistöckige Haupthaus bietet Platz für vierzig bis fünfzig Schwestern, die sich hier in landschaftlich schönster Lage erholen können. Gegen ein geringes Aufgeld ist es ihnen auch gestattet, sich von einer weiblichen Angehörigen begleiten zu lassen. Das Haus liegt nahe dem Mühltal in einem Tannenwald, in dem auch eine kleine Hängemattenkolonie installiert ist. Es verfügt über einen Hausgarten und eine Dachterrasse. Die Leitung des Hauses obliegt einer Oberin. Bereits im zweiten Jahr verzeichnet es rund fünfhundert Schwestern und siebzig Angehörige als Kurgäste. Ein separates Gebäude soll als Altersheim für Schwestern dienen, während ein etwas abseitsstehendes sogenanntes Ehehaus vom Ehepaar Pabst fortan als Feriendomizil genutzt wird.
Der Krieg zieht dann weitere Anforderungen nach sich. Das Zentralkomitee beschließt, dem Schwesternheim ein Waisenhaus anzugliedern. Kinder, deren Väter im Krieg gefallen und deren Mütter ebenfalls verstorben sind, sollen darin eine neue Heimat finden. Bei der Eröffnung halten zunächst acht Kinder Einzug. Ihre Zahl steigt bald auf neunundzwanzig, wobei es sich zumeist um noch nicht schulpflichtige Kinder handelt. „Späterer Zeit bleibt es vorbehalten zu entscheiden, ob sie, je nach ihrer Anlage, noch Unterricht in höheren Schulen von Eisenberg genießen sollen, oder ob die Volksschulbildung als genügende Grundlage für ihre fachliche Ausbildung erachtet werden darf. Gedacht ist, die Mädchen später nach ihrem Wunsch und nach ihrer Begabung entweder im Haushalt zu einer Art von „Hausschwestern“ oder auch zu Hausmädchen heranzubilden, oder aber ihnen in den dem Hause angeschlossenen und durch neue Ankäufe vergrößerten Ländereien eine tüchtige Schulung zu Gärtnerinnen zuteil werden zu lassen“, heißt es in einer Broschüre zum Schwestern-Erholungsheim und Kriegerwaisenhaus vom Roten Kreuz in Saasa bei Eisenberg i/Th. von 1916. Bald erfolgt auch tatsächlich eine beträchtliche Erweiterung des Geländes durch Ankauf angrenzender Bauerngüter. Dass die beiden unterschiedlichen Nutzungen der Anlage keine Probleme bereiten, findet sich an anderer Stelle festgehalten: „Die ursprünglich gehegte Besorgnis, die Anwesenheit vieler Kinder könne den ruhebedürftigen Schwestern des Erholungsheimes lästigfallen, hat sich nicht bestätigt. Im Gegenteil bildet für die Letzteren das lustige Treiben des kleinen Volks eine stete Quelle der Freude.“
Nicht ganz klar ist, wie lange die Doppelnutzung als Waisen- und Schwesternheim besteht. In der Weimarer Republik scheint das Gelände wieder ausschließlich als Schwesternheim genutzt worden zu sein. 1928 gründet dann der Verband Deutscher Mutterhäuser vom Roten Kreuz in Saasa auch eine eigenständige Schwesternschaft, die Else-Schwesternschaft.
Mit dem Gesetz über das Deutsche Rote Kreuz geht das Eigentum am Else-Haus auf das nunmehr zentralisierte DRK über. Offenbar gibt es dann auch bald Begehrlichkeiten der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt. Aus einem Schreiben des Roten Kreuzes von 1940 geht hervor, dass man es auch nach einem Ende des Krieges nicht der NS-Volkswohlfahrt zu übergeben gedenke. 1943 wird das Haus schließlich beschlagnahmt und dem Landrat zur Verwendung als Hilfskrankenhaus unterstellt.
Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg ändern sich die Verhältnisse in rascher Folge. In Thüringen erklärt der Regierungspräsident das Deutsche Rote Kreuz am 6. Juli 1945 als nicht mehr bestehend und genehmigt eine Neugründung des Roten Kreuzes in Thüringen. Zu dessen Einrichtungen gehören auch eine Reihe von Krankenhäusern, darunter das Waldkrankenhaus für Orthopädie in Eisenberg. Doch schon am 19. September ergeht der Geheimbefehl des Stellvertreters des Höchstkommandierenden der sowjetischen Militärverwaltung in Deutschland, das Rote Kreuz in der sowjetischen Besatzungszone ganz aufzulösen. Damit verlieren die Rotkreuzschwestern in Saasa nicht nur ihr Aufgabenfeld, ihnen wird die Existenz genommen.
Mit Vereinbarung vom 16. Oktober 1946 übergibt Oberin von La Chevallerie das Else-Haus endgültig an die Gemeinde Saasa. Betroffen sind neben dem Haupthaus auch das frühere Altersheim, das Pförtnerhaus, das Waschhaus, ein Blockhaus im Garten samt allen technischen Anlagen und restlichem Inventar sowie das Gut Saasa Nr. 16, die Gärtnerei und der Garten. Sie gehen an das nun staatliche Waldkrankenhaus Eisenberg. Damit endet hier vorerst die Rotkreuzgeschichte. Für einige Jahre sind in den Gebäuden ein Schwerstversehrtenheim und eine Umschulungswerkstatt für körperbehinderte Menschen untergebracht. Teile des Gartens stehen dem Kindergarten der Gemeinde als Spielplatz zur Verfügung.
Auch nach der Wiedervereinigung und Wiedererrichtung des Landes Thüringen befindet sich das ehemalige Schwesternheim weiter in staatlichem Eigentum. Seit 1990 dienen die Gebäude als Erstaufnahmeeinrichtung des Landes, zunächst für Spätaussiedler, inzwischen für Spätaussiedler, Flüchtlinge und Asylbewerber. Während sie nach 2016 zunächst leer standen, wurden sie während der COVID-19-Epidemie zur Entlastung einer entsprechenden Einrichtung in Suhl wieder reaktiviert. Das Rote Kreuz wirkt seitdem wieder an alter Stätte bei der Betreuung der Bewohner mit.
Else-Haus – ehemaliges Schwestern- und Kurheim
Jenaer Straße 49
07607 Eisenberg
Öffnungszeiten: Das Gebäude wird heute vom Land Thüringen genutzt und kann nicht frei besichtigt werden
Weitere Orte mit früher Wohlfahrtsarbeit: Berlin (Schrebergärten), Hamburg (Warteschule), Lehrte, Loschwitz, Lychen, Petersaurach und Wittdün
Weitere Orte zu Rotkreuzschwesternschaften und -krankenhäusern: Alexanderdorf, Bad Cannstatt, Berlin (Rittberghaus und Cecilienhaus), Coburg (Marienhaus), Darmstadt (Alicehospital), Hamburg (Schlump und Helenenstift) Hannover (Clementinenhaus), Kassel, Lübeck, Nabburg, Oranienburg, Plauen, Schwerin (Marienhaus), Stuttgart
Weitere Orte zu Gräbern, Gräberfeldern und Denkmälern: Berlin (Glienicke), Dresden (Simongrab und Albertinerinnen), Hamburg (Ohlsdorf), Karlsruhe, Marsberg, Mittweida, Nürnberg, Oldenburg, Satteldorf und Stahnsdorf
Auch sehenswert: Aus dem Ende des 17. Jahrhunderts, als Eisenberg herzogliche Residenzstadt war, stammt das Schloss Christiansburg mit der Schlosskirche St. Trinitatis. Ebenfalls sehenswert sind rund um den Marktplatz der Mohrenbrunnen, das Rathaus, das Klötznersche Haus und die Stadtkirche St. Peter. (www.stadt-eisenberg.de)
Außerdem ist es von Eisenberg aus nicht weit bis nach Jena und Gera, die beide eine Reihe von Kulturdenkmälern zu bieten haben (www.visit-jena.de und gera.de).