8 Empfehlungen zur Stärkung des Bevölkerungsschutz: Krisen sind allgegenwärtig – dies das ist keine neue Entwicklung. Die Corona-Pandemie und die Rückkehr des bewaffneten Konflikts auf den europäischen Kontinent haben unsere Gesellschaft und auch uns als DRK vor Herausforderungen von beispiellosem Ausmaß gestellt. Keine Ebene, kein Bereich bleibt ausgenommen.
Um eine sektorenübergreifende Versorgung gewährleisten zu können, rücken arbeitsteilige Prozesse umso stärker in den Fokus. Sie gilt es, aus der Perspektive der Menschen neu zu orientieren. Für das DRK heißt das, Leistungsstrukturen stets gleichzeitig an den Determinanten „medizinische Leistung“, „Wirtschaftlichkeit“ und „Idealauftrag“ auszurichten. Daher hat das Deutsche Rote Kreuz 8 Empfehlungen zur Stärkung des Bevölkerungsschutz verfasst.
Die jüngsten Krisen haben gezeigt: Die derzeit im Haushalt des Bundesministeriums des Innern und für Heimat (BMI) vorgesehenen 700 Millionen Euro pro Jahr reichen nicht aus, um auf nationaler Ebene einen nachhaltigen und umfassenden Bevölkerungsschutz sicherzustellen. Für eine zukunftsgerechte Vorsorge, Vorhaltung, Infrastruktur und Ehrenamtsunterstützung ist eine dauerhafte Verstetigung der jährlichen Bundesmittel auf mindestens zwei Milliarden Euro jährlich oder umgerechnet 0,5 Prozent des Bundeshaushaltes – derzeit sind es 0,14 Prozent – notwendig.
Für einen gut funktionierenden Katastrophenschutz ist ein Krisenmanagement aus einem Guss, in dem Länder- und Ebenen-übergreifend alle staatlichen, zivilgesellschaftlichen und wirtschaftlichen Akteure einbezogen sind, unerlässlich.
In Hinblick auf die zunehmende Komplexität von Alltagssystemen bedarf es ganzheitlicher Strategien zur Krisenbewältigung. Ein präventiver Ansatz der Vernetzung und Zusammenarbeit ist dafür notwendig.Private und öffentliche Unternehmen sind wichtige Akteure für einen funktionierenden Alltag. Im Krisenfall sind sie auf eine zeitnahe Wiederherstellung des Normalzustandes angewiesen. Gleichzeitig verfügen sie über ein breites Spektrum an Kompetenzen und Ressourcen, die es für eine effiziente Krisenbewältigung einzubinden gilt.
Das Team Sicherheitsforschung und Innovationstransfer des DRK befasst sich dafür mit einem weiten Spektrum von Fragen der öffentlichen Sicherheit sowie des Risikomanagements und entwickelt Lösungen für die Praxis.
Zusammengefasst lassen sich drei Kernfunktionen für resiliente Regionen herausarbeiten:
Die detaillierte Ergebnisentwicklung ist in der Publikation „Hilfeleistungssysteme der Zukunft“ zusammengeführt. Diese steht beim Transcript Verlag als Open Access PDF kostenlos zur Verfügung.
Weiterführende Informationen zu den Forschungsaktivitäten unter: www.drk-forschung.de.
Die Systeme Rettungsdienst und Zivil- und Katastrophenschutz bilden – im Sinne eines sozialraumnahen Bevölkerungsschutzes – Bestandteile eines integrierten Notfallvorsorge- und Hilfeleistungssystems, das insgesamt auf die Beteiligung Ehrenamtlicher angewiesen bzw. ausgelegt ist. Die Schaffung von ehrenamtsfreundlichen Rahmenbedingungen, u.a. durch die Erreichung einer Helfergleichstellung, ist dabei die erste Maxime.
Die Gleichstellung der ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer der anerkannten Hilfsorganisationen mit den Einsatzkräften von Technischem Hilfswerk und Feuerwehr ist dringend notwendig. Es geht dabei um die Freistellung durch den Arbeitgeber, Schadenersatzansprüche und soziale Absicherung. Dies ist in einigen Ländern bereits geregelt, in anderen noch nicht – hier sind bundesweit einheitliche Regelungen erforderlich, die den Einsatz der Kräfte auch im überörtlichen Einsatz oder bei langanhaltenden Krisen belastbar regeln. Das DRK empfiehlt eine dahingehende Anpassung des Zivilschutz- und Katastrophenhilfegesetzes (ZSKG). Schließlich kennen Katastrophen, Krisen und Pandemien keine Verwaltungsgrenzen.
Auch in der operativen Leistungserbringung des Rettungsdienstes sind Mitarbeitende und Ehrenamtliche zunehmend mit komplexen Einsatzlagen konfrontiert. Sie müssen trainiert sein für Schadensereignisse, die nicht alltäglich sind, wie etwa eine Explosion in einem U-Bahn-Schacht. Jeder Handgriff muss sitzen, jeder Versorgungsschritt muss geübt sein. Mit Virtual Reality wird das Praxistraining so ergänzt, dass sogenannte MANV-Notfälle ohne großen Aufwand, unbegrenzt oft und identisch geübt werden können.
Der Rettungsdienst und der erweiterte Rettungsdienst nutzen modernste Technik, um schnell, flexibel und autark zu sein und den erforderlichen Personaleinsatz, besonders in gefährlichen Situationen, so gering wie möglich zu halten. Moderne Drohnentechnik unterstützt bei der Lageerkundung, bei Personensuchen und beim Ausleuchten von Einsatzorten.
Die moderne Technik hilft den Mitarbeitenden und Ehrenamtlichen dabei, Einsätze effektiv zu leiten, Kräfte zielgerichtet zu koordinieren und – wo immer erforderlich – die notwendigen Dokumentationspflichten zu erledigen.
In der Anwendung der konkreten Gesetze für Hilfsorganisationen bestehen seitens der staatlichen Akteure Unsicherheiten über die Rechtswirkungen, nicht zuletzt in Bezug auf Fragen einer unmittelbaren Beauftragung durch die Bundesregierung. Im Rahmen der Aufgabenzuweisung, Umsetzung und Anwendung gibt es einen Aktualisierungsbedarf im Zivilschutz- und Katastrophenhilfegesetz (ZSKG) und im DRK-Gesetz.
Denn: Nur eine eindeutige Rechtssicherheit hilft in Krisensituationen, wie beispielsweise pandemischen Lagen, dabei, dass die Bundesregierung direkt schnelle Unterstützung durch das DRK und die anerkannten Hilfsorganisationen erfahren kann.
Stärkung der nationalen Reservehaltung zur Betreuung, Unterbringung und Versorgung betroffener Bevölkerungsgruppen
Die Implementierung der Betreuungsreserve des Bundes für den Zivilschutz leistet einen wichtigen Beitrag zur Stärkung des Bevölkerungsschutzes in Deutschland. Das Hochwasser im Sommer 2021, die Bewältigung der Corona-Pandemie sowie die aktuellen Flüchtlingsbewegungen zeigen, dass dringend solche Reserven benötigt werden. Im Pilotprojekt „Labor Betreuung 5.000“ wird dafür die Grundlage geschaffen. Das DRK fordert weitere Investitionen in die Betreuungsreserve, um die Bedarfe der im Krisenfall betroffenen Menschen decken zu können – so wie dies aktuell für die vor dem bewaffneten Konflikt Geflüchteten aus der Ukraine benötigt wird.
Bereits beschaffte Ausstattungen und Materialien aus dem Pilotprojekt „Labor Betreuung 5.000“ konnten auch bei der Bewältigung der Corona-Pandemie und der Hochwasserlage in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen eingesetzt werden, haben sich als äußerst hilfreich erwiesen und effizient im Einsatz bewährt. Die Aufstellung der weiteren Module der Betreuungsreserve des Bundes sollte demnach – nach einer Absichtserklärung im Koalitionsvertrag – dringend in den kommenden Haushalt 2022 mit aufgenommen werden, um so systematisch den Ausbau des Gesamtkonzepts voranzubringen – vor allem in Zeiten aktuell vorherrschender multipler Krisen.
Mit der Etatisierung der ersten beiden Module der Zivilschutzreserve des Bundes hat der Bundestag in der vergangenen Legislaturperiode einen ersten wichtigen Schritt zur Schaffung dringend benötigter Pufferkapazitäten von Engpassressourcen im Rahmen einer neu aufzustellenden Betreuungsreserve des Bundes vollzogen und damit ein erstes gutes Signal für den deutschen Bevölkerungsschutz im Rahmen der Konzeption zivile Verteidigung (KZV) gesetzt.
Im Verbund der deutschen Hilfsorganisationen (DRK mit ASB, DLRG, JUH und MHD) werden derzeit die ersten beiden Module der Betreuungsreserve des Bundes im Großraum Berlin-Brandenburg (Stadt Luckenwalde) und im Großraum Köln aufgestellt.
Insgesamt werden deutschlandweit etwa zehn Logistikzentren für die Betreuung und Versorgung von insgesamt 50.000 Menschen in Krisenfällen benötigt. Daher ist es dringend geboten, die ausstehenden Module zu finanzieren und schnellstens zu implementieren.
Der Innovationscharakter des Pilotprojekts „Labor Betreuung 5.000“ hat in der Auskonzeptionierung zudem eine fundierte und evidenzbasierte Auseinandersetzung mit einzelnen Fähigkeiten der Mobilen Betreuungsreserve zur Folge.