Aktuelle Entwicklungen im humanitären Völkerrecht

Internationale Humanitäre Ermittlungskommission: Übergabe des Abschlussberichtes an die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa

Die Internationale Humanitäre Ermittlungskommission (IHEK) hat ihren ersten Ermittlungsauftrag erfolgreich abgeschlossen. Die IHEK war von der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) auf Grundlage der „good offices“ nach Art. 90 Abs. 2 c ii ZP I beauftragt worden, die Ermittlungen hinsichtlich eines Ereignisses vom 23. April 2017 in der Nähe von Luhansk im Osten der Ukraine, aufzunehmen. Dort ist die OSZE im Rahmen einer Sonderbeobachtermission aktiv. Ein Mitarbeiter der Mission wurde während einer Patrouillenfahrt durch eine Explosion getötet, zwei weitere wurden verletzt. Die IHEK (durch den mit der Leitung der Untersuchung betrauten IHEK-Vizepräsidenten Botschafter Alfredo Labbé, den „Operational Manager“ des Teams Frederick Swinnen und ihren Präsidenten Prof. Thilo Marauhn) hat dem Ständigen Rat der OSZE am 7. September 2017 den Bericht über die Ereignisse vom 23. April 2017 erläutert, nachdem der Bericht mit Datum vom 21.August 2017 zuvor dem OSZE-Generalsekretär übermittelt worden war. Der Bericht kommt zu dem Ergebnis, dass die Beobachtermission der OSZE nicht Angriffsziel war. Zugleich stellt der Bericht fest, dass die Verlegung der Landmine, die die Explosion verursachte, das Unterscheidungsgebot verletzte. Hier die Presseerklärungen von OSZE und IHFFC

Internationaler Strafgerichtshof: Antrag der Anklägerin Fatou Bensouda auf Genehmigung von Ermittlungen in Bezug auf Afghanistan

IStGH
Die Anklägerin ist zu dem Schluss gelangt, dass eine hinreichende Grundlage für die Aufnahme von Ermittlungen zu möglichen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Bezug auf Afghanistan besteht. Nach Einschätzung der Anklägerin sind die rechtlichen Voraussetzungen des Römischen Statuts zur Genehmigung einer Ermittlung gegeben. Aufgrund der zeitlichen Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs beschränkt sich der Antrag der Anklägerin auf Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die seit dem 1. Mai 2003 auf afghanischem Staatsgebiet verübt worden sein sollen sowie auf Kriegsverbrechen, die mit dem Konflikt in Afghanistan in Verbindung stehen und seit dem 1. Juli 2002 mutmaßlich auf dem Staatsgebiet anderer Vertragsparteien begangen wurden. Eine Vorverfahrenskammer des Internationalen Strafgerichthofs wird nun entscheiden, ob Ermittlungen genehmigt werden. Hier die Erklärung der Anklägerin

Internationaler Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien: Urteil im Fall Ratko Mladić

Der ehemalige Kommandeur der bosnischen Serben, Ratko Mladić, ist am 22. November vom Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien (ICTY) in Den Haag in zehn von elf Anklagepunkten schuldig gesprochen und zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Im Jahr 2011 war Mladić nach 16 Jahren Flucht in Serbien festgenommen und an das ICTY überstellt worden. Während des Prozesses gegen Mladić, der im Mai 2012 begann, wurden 592 Zeugen vernommen und mehr als 1000 Beweisstücke berücksichtigt. Die Richter des ICTY verurteilten den 74-Jährigen nun wegen Völkermordes, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen während des bewaffneten Konflikts in Bosnien und Herzegowina von 1992 bis 1995. Die Verfahrenskammer des ICTY hielt es für bewiesen, dass Mladić maßgeblich an der Belagerung und an dem Beschuss von Sarajevo beteiligt gewesen ist. Das Gericht urteilte zudem, dass er für das Massaker in Srebrenica in 1995 mitverantworlich ist, welches es als Völkermord einstufte. Darüber hinaus wurde Mladić wegen der Geiselnahme von VN-Personal im Jahr 1995 verurteilt. Für Verbrechen in den bosnischen Gemeinden wurde er wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen verurteilt, nicht jedoch wegen Völkermordes. Das Verfahren gegen Mladić war das letzte Verfahren einer Strafkammer des ICTY. Ihm folgte ein letztes Urteil der Berufungskammer im Fall Jadranko Prlić et al. am 29. November 2017, das mit dem nun von niederländischen Behörden untersuchten Tod des Angeklagten Slobodan Praljak endete. Das Tribunal beendet zum Jahresende 2017 seine Arbeit nach 24 Jahren. Laufende Berufungsverfahren werden ab kommendem Jahr von dem „Mechanism for International Criminal Tribunals“ (MICT) in Den Haag übernommen. Hier das Urteil des ICTY im Fall Ratko Mladić  Hier die Pressemitteilung des ICTY im Fall Ratko Mladić  Hier eine Analyse des Urteils im Fall Ratko Mladić  und hier eine weitere Analyse

Internationalen Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung: Statutarische Sitzungen, Antalya

Vom 6. bis 11. November 2017 fanden die Generalversammlung der Internationalen Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmond-Gesellschaften sowie der Delegiertenrat der Bewegung in der Türkei (Antalya) statt. Ergänzt wurden diese Sitzungen durch das Red Cross Red Crescent (RC²) Forum am 9. November, in dem humanitäre Herausforderungen und zukünftige Trends diskutiert wurden. Während der Generalversammlung fand die Wahl und Neubesetzung der obersten Funktionen und Gremien der Internationalen Föderation statt. Dabei wurde der Präsident des Italienischen Roten Kreuzes Francesco Rocca zum neuen Föderationspräsidenten gewählt. Ebenso wurden die vier Vizepräsidenten aus den statutarischen Regionen gewählt sowie die 20 Nationalen Gesellschaften zur Besetzung des Governing Boards der Internationalen Föderation bestimmt. Es erfolgten weitere Satzungsänderungen der Föderation. Diese betrafen zum einen formale Anpassungen und Straffungen hinsichtlich Termini, Erklärungen und logischen Zuordnungen, zum anderen inhaltliche Punkte, hier v.a. stärkere Verpflichtungen zur Erfüllung von Integritätskriterien. Nicht zuletzt wurden eine „Volunteer Charter“ zur Festlegung der Rechte und Pflichten von Ehrenamtlichen, eine neue „Youth Policy“ sowie eine „Global Migration Strategy“ verabschiedet. In allen drei Themenbereichen hat sich das DRK im Vorfeld durch Teilnahme an Konferenzen und Konsultationen intensiv eingebracht. Das DRK war zudem auf dem „Migration Podium“ der Generalversammlung vertreten. Im Delegiertenrat wurden Beschlüsse in Form von Resolutionen gefasst, die insbesondere die folgende Themen betrafen:
  • Zusammenarbeit innerhalb der Bewegung („Strengthening Movement Coordination and Cooperation / SMCC“)
  • Ressourcenmobilisierung ( „Movement-wide Principles for Resource Mobilization“)
  • Migration („Movement Call for Action on the Humanitarian Needs of Vulnerable Migrants“)
  • Atomwaffen („Working Towards the Elimination of Nuclear Weapons“, Co-Sponsoring DRK)
  • Bildung („Education: Related Humanitarian Needs“)
  • Gesundheit („Addressing Mental Health and Psychosocial Needs“ und „Working Towards an International Red Cross and Red Crescent Movement Approach to Epidemics and Pandemics“)
  • Humanitäres Völkerrecht („International Humanitarian Law“)
  • Familienzusammenführung („Restoring Family Links Strategy Development“)
Mit der Henry Dunant Medaille wurde die höchste Auszeichnung der Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung an Herrn Prof. Dr. Michael Bothe, den langjährigen Vorsitzenden des DRK-Fachausschusses und Deutschen Komitees zum Humanitären Völkerrecht, sowie Arthus Agany Poole, ein langjähriges ehrenamtliches Mitglied des Südsudanesischen Roten Kreuzes, verliehen.

Regulierung von Letalen Autonomen Waffensystemen: Erstes Treffen der Gruppe von Regierungsexperten

Im November haben sich in Genf über 70 Delegationen im Rahmen einer Group of Governmental Experts (GGE) getroffen, um über die Regulierung von Letalen Autonomen Waffensystemen (LAWS) zu beraten.

Die Regierungsexperten wurden von der fünften Überprüfungskonferenz der VN-Waffenkonvention damit beauftragt, Empfehlungen für mögliche Optionen zum Umgang mit letalen autonomen Waffensystemen im Kontext des Sinns und Zweckes der Konvention zu geben.

Das erste formale Treffen der GGE hat u. a. dem Austausch über die verschiedenen Positionen gedient. Die Bundesrepublik Deutschland hat gemeinsam mit Frankreich ein Arbeitspapier in die Diskussion eingebracht, in dem sie sich für ein Bekenntnis zum geltenden Völkerrecht, für die Notwendigkeit menschlicher Kontrolle über alle künftigen Waffensysteme und für einen engen Informationsaustausch zwischen Staaten bei der Entwicklung künftiger Waffensysteme einsetzen.

Gemäß den Empfehlungen der GGE soll die Arbeit der Regierungsexperten im Jahr 2018 fortgesetzt werden.

Hier der Bericht des Ersten Treffens der GGE

Hier weitere Informationen zu den Beratungen der GGE

Hier das gemeinsame Arbeitspapier der Bundesrepublik Deutschland und Frankreichs

Hier ein Beitrag des Auswärtigen Amtes


Römisches Statut: 16. Versammlung der Vertragsstaaten in New York (4. -14. Dezember 2017)

Die Versammlung wählte sechs neue Richter für den Internationalen Strafgerichtshof, befasste sich mit dem anstehenden 20. Jubiläum der Annahme des Römischen Statuts im Jahr 2018, der Zusammenarbeit der Vertragsstaaten sowie dem Bericht der Anklägerin zu Vorprüfungen des Jahres 2017 („Report on Preliminary Examination Activities“). Die Vertragsstaaten erweiterten die Liste der Kriegsverbrechen in Artikel 8 um drei Kriegsverbrechen im Zusammenhang mit dem Einsatz bestimmter Waffen und beschlossen insbesondere die Aktivierung der Gerichtsbarkeit des Internationalen Strafgerichtshof über das Verbrechen der Aggression. Gemäß Artikel 5 (2) Römisches Statut war die Ausübung der Gerichtsbarkeit über das Verbrechen der Aggression abhängig von der Annahme einer Bestimmung, die das Verbrechen definiert und die Bedingungen für die Ausübung der Gerichtsbarkeit im Hinblick auf dieses Verbrechen festlegt. Eine solche Bestimmung wurde am 11. Juni 2010 angenommen und das Römische Statut in Bezug auf das Verbrechen der Aggression geändert („Kampala Amendment“). Gemäß der neu eingefügten Artikel 15bis und 15ter war die Ausübung der Gerichtsbarkeit über das Verbrechen der Aggression beschränkt auf Verbrechen, die ein Jahr nach Ratifikation oder Annahme des „Kampala Amendments“ durch dreißig Vertragsstaaten begangen wurden und wiederum abhängig von einem Beschluss, der nach dem 1. Januar 2017 mit derselben Mehrheit von Vertragsstaaten zu fassen war, wie sie für die Annahme einer Änderung des Statuts erforderlich ist. Das „Kampala Amendment“ wurde von bislang 34 Staaten ratifiziert, anlässlich der 16. Vertragstaatenkonferenz wurden nun Verhandlungen zur Herbeiführung eines Beschlusses zur Aktivierung der Gerichtsbarkeit geführt. Nachdem lange Zeit insbesondere umstritten war, ob der IStGH in Fällen der Unterbreitung durch einen Staat (state referral) oder aus eigener Intiative (proprio motu) Gerichtsbarkeit über Verbrechen der Aggression ausüben kann, die auf dem Staatsgebiet eines Staates verübt wurden, der das „Kampala Amendment“ ratifiziert hat, aber von einem Staatsangehörigen eines Staates begangen wurden, der dies nicht getan hat, konnte am letzten Tag der Vertragsstaatenkonferenz eine Einigung per Konsens erzielt werden. Demnach übt der Internationale Strafgerichtshof in diesen Fällen ab dem 17. Juli 2018 Gerichtsbarkeit über Verbrechen der Aggression aus insofern sie von Staatsangehörigen eines Staates begangen wurden, der das „Kampala Amendment“ ratifiziert hat, wörtlich: „Confirms that, in accordance with the Rome Statute, the amendments to the Statute regarding the crime of aggression adopted at the Kampala Review Conference enter into force for those States Parties which have accepted the amendments one year after the deposit of their instruments of ratification or acceptance and that in the case of a State referral or propio motu investigation the Court shall not exercise its jurisdiction regarding a crime of aggression when committed by a national or on the territory of a State Party that has not ratified or accepted these amendments.“ Hier die Resolution der Versammlung der Vertragsstaaten zur Aktivierung der Gerichtsbarkeit über das Verbrechen der Aggression Hier weitere Informationen zur Versammlung der Vertragsstaaten des Römischen Statuts, einschließlich relevanter Dokumente ihrer 16. Sitzung  Hier der „Report on Preliminary Examination Activities 2017“

Intergovernmental Process on Strengthening Respect for International Humanitarian Law: 3. Formelles Staatentreffen

Resolution 2 der 32. Internationalen Konferenz des Roten Kreuzes und Roten Halbmonds empfahl im Jahr 2015 die Fortsetzung eines von Staaten betriebenen, intergouvernementalen Prozesses, der eine „Übereinkunft zu Merkmalen und Funktionen eines möglichen Staatenforums sowie zu Möglichkeiten der verbesserten Umsetzung des humanitären Völkerrechts unter Berücksichtigung des Potenzials der Internationalen Konferenz und regionaler Foren“ finden soll. Vom 4. bis 6. Dezember fand das dritte formelle Staatentreffen im Rahmen dieses Prozesses in Genf statt. Gemäß dem anlässlich des ersten formellen Staatentreffens im November 2016 verabschiedeten Arbeitsplan fand im April 2017 ein zweites formelles Staatentreffen statt. Während sich dieses mit bestehenden Mechanismen zur Umsetzung des humanitären Völkerrechts sowie den Merkmalen und Funktionen eines möglichen Staatenforums befasste, wurden im Rahmen des nun abgehaltenen dritten formellen Staatentreffens Möglichkeiten der verbesserten Umsetzung unter Berücksichtigung des Potenzials der Internationalen Konferenz und regionaler Foren beraten. Der gesamte Prozess soll bis zur 33. Internationalen Konferenz im Jahr 2019 durch weitere formelle Staatentreffen, die von informellen Konsultationen begleitet werden, fortgeführt werden. Hier die Resolution 2 der 32. Internationalen Konferenz Hier weitere Informationen zum intergouvernementalen Prozess sowie zu den von 2012 bis 2015 durchgeführten Konsultationen der Schweiz und des IKRKs zur besseren Einhaltung des HVR

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