Die Internationale Humanitäre Ermittlungskommission (International Humanitarian Fact-Finding Commission „IHFFC“) hat im Mai 2017 ihr erstes Mandat erhalten.
Die Kommission wurde von der OSZE gebeten, die Ermittlungen hinsichtlich eines Ereignisses vom 23. April, welches sich in der Nähe von Luhansk (Ostukraine) zugetragen hat, aufzunehmen. Dort ist die OSZE im Rahmen einer Sonderbeobachtermission aktiv. Ein Mitarbeiter dieser Mission wurde am 23. April durch eine Explosion getötet, zwei weitere wurden verletzt. Die von dem Vizepräsidenten der IHFFC, dem chilenischen Botschafter Alfredo Labbé geleiteten Ermittlungen werden vertraulich geführt und die Ergebnisse nur dem Generalsekretär der OSZE berichtet.
Die seit 1991 bestehende und in Artikel 90 Zusatzprotokoll I vorgesehene Internationale Humanitäre Ermittlungskommission ist ein ständiges Organ der Staatengemeinschaft. Sie ermittelt bei Verstößen des humanitären Völkerrechts und ist somit ein wichtiges Instrument zur Wiederherstellung der Einhaltung des humanitären Völkerrechts. Ihre Mitglieder untersuchen auf Anfrage eines an einem bewaffneten Konflikt beteiligten Vertragsstaates mögliche Kriegsverbrechen oder andere Verletzungen des humanitären Völkerrechts. Präsident der Internationalen Humanitären Ermittlungskommission ist Professor Thilo Marauhn, der zugleich Vorsitzender des DRK-Fachausschusses Humanitäres Völkerrecht ist.
Hier die Pressemitteilung
Am 8. Juni 2017 jährte sich zum 40. Mal die Annahme der zwei Zusatzprotokolle (ZP I und II) zu den Genfer Abkommen.
Die Genfer Abkommen aus dem Jahr 1949 sind historisch das Kernstück des humanitären Völkerrechts. Sie regeln insbesondere den Schutz von verwundeten, kranken und schiffbrüchigen Soldaten, von Kriegsgefangenen und der Zivilbevölkerung in internationalen bewaffneten Konflikten. Durch die Zusatzprotokolle I und II wurden sie im Jahr 1977 um wichtige Bestimmungen für die Kampfführung und den nicht-internationalen bewaffneten Konflikt ergänzt. Insbesondere der Vietnamkrieg sowie die Befreiungs- und Bürgerkriege nach Annahme der Genfer Abkommen seit den fünfziger Jahren hatten die Notwendigkeit neuer, spezifischer Regeln deutlich gemacht.
In Zusatzprotokoll I wurde der Schutz der Opfer internationaler bewaffneter Konflikte weiterentwickelt. Eine entscheidende Neuerung war die Erweiterung des Anwendungsbereichs des Rechtes internationaler bewaffneter Konflikte auf Befreiungskriege. So wurde festgelegt, dass es sich bei Befreiungskriegen nicht um innerstaatliche Konflikte, sondern um internationale bewaffnete Konflikte handelt, wo ein Volk gegen Kolonialherrschaft, fremde Besetzung oder ein rassistisches Regime kämpft. Von herausgehobener Bedeutung war daneben die Neuregelung des Kombattantenstatus im internationalen bewaffneten Konflikt, die neben den Angehörigen der Streitkräfte somit auch Mitglieder anderer bewaffneter Gruppen umfasst, sofern sich diese von der Zivilbevölkerung unterscheidet. Ein verbesserter Schutz der Zivilbevölkerung wurde auch durch das explizite Verbot direkter Angriffe auf die Zivilbevölkerung sowie von unterschiedslosen Angriffen erreicht. Das Zusatzprotokoll II demgegenüber stellte erstmalig ein umfassenderes Regelwerk für nicht-internationale bewaffnete Konflikte dar, die bislang allein durch den Mindeststandard des Gemeinsamen Artikels 3 geregelt wurden. Anders als der Gemeinsame Artikel 3, der bereits dann Anwendung findet, wenn bewaffnete Gruppen einen gewissen Organisationsgrad haben und eine gewisse Gewaltschwelle erreicht ist, verlangt Zusatzprotokoll II darüber hinaus, dass Teile des Hoheitsgebietes des beteiligten Staates von den Aufständischen unter Kontrolle gehalten werden.
Die Zusatzprotokolle I und II wurden am 8. Juni 1977 einstimmig angenommen. In den letzten 40 Jahren hat sich gezeigt, dass sie nach wie vor von überragender Bedeutung sind. Dies spiegelt sich zum einen in ihrer hohen Akzeptanz wider. So hatten Anfang 2017 174 Staaten das Zusatzprotokoll I und 169 Staaten das Zusatzprotokoll II ratifiziert. Zum anderen haben die Zusatzprotokolle bedeutend zur Bildung völkergewohnheitsrechtlicher Normen beigetragen, die die Konfliktparteien unabhängig von einer Ratifikation der Verträge binden.
Hier eine Bibliographie des IKRKs mit Literaturhinweisen zu den Zusatzprotokollen
In einer wegweisenden Entscheidung hat die Berufungskammer des Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) am 15. Juni 2017 bestätigt, dass die Vergewaltigung und sexuelle Versklavung von Mitgliedern derselben bewaffneten Gruppe als Kriegsverbrechen verurteilt werden können.
In einer wegweisenden Entscheidung hat die Berufungskammer des Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) am 15. Juni 2017 bestätigt, dass die Vergewaltigung und sexuelle Versklavung von Mitgliedern derselben bewaffneten Gruppe als Kriegsverbrechen verurteilt werden können. Der Angeklagte, Bosco Ntaganda, war der mutmaßliche stellvertretende Generalstabschef der bewaffneten Gruppe „Force Patriotiques pour la Libération du Congo“ (FPLC). Ntaganda war beschuldigt worden dreizehn Kriegsverbrechen, u.a. die Vergewaltigung und sexuelle Versklavung von Zivilpersonen und fünf Verbrechen gegen die Menschlichkeit während des bewaffneten Konflikts in Ituri von 2002-2003 sowohl selbst begangen, als auch befohlen und veranlasst zu haben. Am 3. Januar 2017 entschied die Hauptverfahrenskammer des IStGH, dass diese Verbrechen in der Zuständigkeit des Gerichts liegen. Die Verteidigung legte gegen diese Entscheidung Einspruch ein und begründete diesen damit, dass Kriegsverbrechen nicht von Mitgliedern einer bewaffneten Gruppe gegen andere Mitglieder derselben bewaffneten Gruppe begangen werden könnten. Sie argumentierte insbesondere, dass die Interpretation der Strafkammer zu einer „substantiellen und ungerechtfertigten Erweiterung“ des Geltungsbereichs der Kriegsverbrechen führe. In der Entscheidung vom 15. Juni 2017 wies die Berufungskammer des IStGH diese Argumente einstimmig zurück. Der vorsitzende Richter Sanji Mmasenono Monageng führte aus, dass sich das humanitäre Völkerrecht gerade nicht nur mit den Handlungen von Konfliktparteien gegeneinander, sondern auch mit dem Schutz von besonders verletzlichen Personen während eines bewaffneten Konflikts beschäftige. Das humanitäre Völkerrecht enthalte keine generelle Regelung, die den Schutz der Mitglieder einer bewaffneten Gruppe gegen Straftaten von Mitgliedern derselben Gruppe ausschließe. Die Berufungskammer betonte, dass die Voraussetzung, die für das Kriegsverbrechen jeweils ausschlaggebende Handlung habe „im Kontext von und in Verbindung mit einem bewaffneten Konflikt“ stattgefunden, ausreiche, um eine unangemessen weite Interpretation der Kategorie Kriegsverbrechen zu verhindern.
Die Entscheidung der Berufungskammer des IStGH wurde veröffentlicht.