Etwa 10 Prozent der Flüchtlinge in der Türkei leben in einem der offiziellen Flüchtlingscamps, die meisten von ihnen leben hingegen bei Gastfamilien, Verwandten oder in Privatunterkünften. Insgesamt leben mehr als 2,7 Millionen Geflüchtete aus unterschiedlichen Ländern in der Türkei. Der Großteil von ihnen kommt aus dem vom anhaltenden Konflikt gezeichneten Syrien. Außerhalb von Flüchtlingslagern fehlt es ihnen aber häufig an Zugang zu diversen Hilfsleistungen – Beratung und Betreuung, psychosoziale Unterstützung oder Bildungsangebote, die ihnen helfen, in ihrem Gastland Fuß zu fassen. Der Türkische Rote Halbmond schließt diese Lücke mit Gemeindezentren. Drei davon – in Istanbul, Izmir und Adana – unterstützt das Deutsche Rote Kreuz mit finanzieller Förderung durch das Auswärtige Amt. Hier stellen wir Ihnen syrische Geflüchtete vor, die erzählen, was der Besuch dieser Gemeindezentren für sie bedeutet:
„Ich möchte Türkisch sprechen, um eine Arbeitsstelle zu finden“, sagt die Agraringenieurin Rihab aus Deyr Ez-Zor. Deshalb belegt sie im Gemeindezentrum des Roten Halbmonds einen Türkischkurs. In Syrien war Rihab Beamtin, auch ihr Mann hat als Jurist im öffentlichen Dienst gearbeitet. Die zweifache Mutter erinnert sich: „Wir hatten ein Haus, einen Laden und ein Auto, jetzt ist alles weg. Vor dem Krieg hatten wir ein schönes Leben.“ Die Sprache ist für sie ein Schlüssel zum Neuanfang.
Neben Sprachlehrgängen für Türkisch oder Englisch gibt es in den Gemeindezentren ein umfangreiches Kursangebot, von Näh- bis zu Computerkursen. Darüber hinaus erhalten Schüler Unterstützung bei Lernschwierigkeiten: „Ich bin hier für beides – um zu lernen und Spaß zu haben“, erzählt Beraa aus Aleppo. „In Syrien war ich ein guter Schüler, hier nicht mehr. Deshalb war ich sehr traurig, konnte nachts kaum schlafen.“ Inzwischen sind Beraas Noten viel besser. „Dank des Gemeindezentrums habe ich nun keine Angst mehr vor meinen Prüfungen. Ich dachte, ich könnte meine Schule vielleicht nicht weitermachen, aber jetzt bin ich davon überzeugt, dass ich Erfolg haben kann.“
Für viele Flüchtlinge bedeutet der Besuch der Gemeindezentren des Roten Halbmonds nicht nur die Möglichkeit zu lernen und sich zu integrieren. Vielmehr sind die Zentren Treffpunkte und Anlass, sich der Welt wieder zu öffnen – so auch für die 14-jährige Rama, die in Syrien ihren Vater verloren hat: „Seit fünf Monaten komme ich in das Gemeindezentrum. Vorher war ich immer zuhause und wollte nicht rausgehen. Als wir herkamen, habe ich gemerkt, dass ich hier glücklich bin und dieser Ort wirklich friedlich ist. An den Wochenenden und Feiertagen bete ich immer, dass die Zeit schnell vergeht, so dass ich wieder ins Gemeindezentrum kommen kann.“
Ömer belegt im Gemeindezentrum in seiner Nähe einen Englischkurs. Auch für ihn ist es ein wichtiger Ort: „Ich habe hier Freunde gefunden, fühle mich glücklich und sicher. Ich mag es im Gemeindezentrum sogar lieber als zuhause.“ Der Neuntklässler, der mit seinen Großeltern geflohen ist und dessen Eltern noch in Syrien sind, kommt seit einem Monat in das Zentrum und sagt, dass sein Wohbefinden sich im Gemeindezentrum verbessere.
Die 14-Jährige Reyyan nutzt nicht nur das breite Angebot ihres Gemeindezentrums, sie engagiert sich dort inzwischen selbst: „Ich musste meine Schule beenden, danach war ich immer zuhause und langweilte mich. Dann haben mir meine Freunde von Gemeindezentrum des Türkischen Roten Halbmonds erzählt und nun bin ich selbst Freiwillige. Ich liebe es, den Kindern zu helfen und mit ihnen zu spielen.“ Auch Reyyans Eltern kommen ins Zentrum – um Türkisch zu lernen. Ihre Tochter hat für die Zukunft einen Wunsch: „Wenn ich erwachsen bin, möchte ich wie die Mitarbeiter des Roten Halbmonds sein.“