Das Slowakische Rote Kreuz in Zusammenarbeit mit der Internationalen Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmond-Gesellschaften (IFRK) hat das DRK um fachliche Unterstützung durch drei Krankenschwestern gebeten. Einsatzorte sollten die verschiedenen Rotkreuz-Erste-Hilfe-Posten auf slowakischem Gebiet an den drei Grenzübergängen zu der Ukraine (Ubl‘a, Vyšné Nemecké, Vel‘ké Slemence) sowie in zwei größeren Städten (Humenné, Košice) sein.
Am Reisetag lernen wir unser Dreierteam kennen und haben großes Glück, denn wir verstehen uns gleich prima und ergänzen uns gut. Jennifer ist Kinderkrankenschwester, arbeitet in München im Rotkreuz-Krankenhaus und ist seit 2005 Mitglied der Schwesternschaft München vom Bayerischen Roten Kreuz; es ist ihr zweiter Auslandseinsatz für das DRK.
Von unseren Aufgaben her wurde schnell klar, dass wir nicht für die „klassische“ Arbeit als Krankenschwestern benötigt werden, da die Anzahl der Geflüchteten, die seit Mitte April über die Grenze kommen, glücklicherweise gesunken ist. Diejenigen, die kommen, haben zumeist keine größeren akuten Beschwerden, die von uns Krankenschwestern versorgt werden müssten.
Es kristallisierte sich heraus, dass die Rotkreuz-Orts- und Kreisverbände Unterstützung brauchen in dieser für sie komplett neuen Situation – hier hatten die Ortsverbände bis vor dem Ausbruch des Ukraine-Krieges keinerlei Berührungspunkte mit der klinischen Versorgung von Kranken. Wie auch bei uns in Deutschland, bestand die Erste-Hilfe-Vorerfahrung eher in der Grundausbildung von Erste-Hilfe-Kursen für Ehrenamtliche, für Schüler oder für den Führerschein oder in klassischen Krankentransporten. Sprich, es fehlt an organisatorischen Strukturen und an der entsprechenden Erfahrung des Personals.
Sigrid ist Krankenschwester und kann auf viele Jahre Berufserfahrung in der Intensivpflege im Klinikum Stuttgart zurückgreifen. Sie gehört seit 1993 zur Württembergischen Schwesternschaft vom Roten Kreuz, auch für sie ist es der zweite Einsatz.
Katrin ist ebenfalls seit Jahrzehnten Krankenschwester, arbeitet jedoch seit 15 Jahren in anderen Bereichen des Gesundheitswesens, basierend auf ihren Studienabschlüssen in Gesundheitswissenschaften und Public Health sowie im Management von Gesundheits- und Sozialeinrichtungen. Dies ist ihr vierter Einsatz für das DRK, zudem verfügt sie über jahrelange Erfahrung als Entwicklungshelferin in Kenia.
Mit den KollegInnen vom Slowakischen Roten Kreuz und der Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmond-Gesellschaften arbeiten wir alle gut zusammen.
In den ersten zwei Tagen besuchten wir alle Standorte des Slowakischen Roten Kreuzes hier in der Ostslowakei, um uns einen Überblick über die Tätigkeiten und Angebote zu verschaffen und uns örtlich zurechtzufinden. Untergebracht waren wir zentral zwischen den Standorten in einer kleinen Pension an einem See in dem Ort Kaluža.
Gleich vom ersten Tag an arbeiteten wir somit nicht ausschließlich als Krankenschwestern in den Erste-Hilfe-Posten mit, sondern beobachteten und dokumentierten die Bedarfe und Bedürfnisse der ankommenden Geflüchteten. Die Kenntnisse und Expertise in der Durchführung von Assessments und der darauf aufbauenden Planung nächster passender Schritte von Katrin war hier ein glücklicher Zufall für uns alle.
Neben den akuten Beschwerden wie Husten, Erbrechen, Kopfschmerzen oder Fieber litten viele PatientInnen unter chronischen Beschwerden wie Hypertonie oder Diabetes.
Uns fiel auf, dass die vielen freiwilligen HelferInnen des Slowakischen Roten Kreuzes oft wenig klinische Erfahrung und Ausbildung haben. Sie benötigen Unterstützung bei der leitliniengerechten Behandlung der Symptome und bei der allgemeinen Optimierung von Prozessen. Daher arbeiten wir derzeit u.a. an der Konzeption passender Behandlungsstandards und an Ideen, wie chronisch erkrankte Menschen auch hier in der Slowakei ihre regulären Medikamente verschrieben bekommen können.
Nach zwei Wochen ist unser Einsatz im östlichen Grenzgebiet der Slowakei beendet und wir konnten einen ausführlichen Bericht mit den dokumentierten Ergebnissen unseres Assessments an das Slowakische Rote Kreuz übergeben.
Für die kommenden zwei Wochen steht ein anderer Arbeitsbereich an – die Unterstützung von zwei weiteren Ortsverbänden (Košice und Žilina), die dort eine große Anzahl an Geflüchteten in Unterkünften versorgen.
Wir wechseln also von der Ersthilfe an den Grenzübergängen zur längerfristigen medizinischen Betreuung. Und wir freuen uns schon auf die kommenden Wochen mit sicherlich weiteren spannenden Herausforderungen.
Košice, 24.04.2022
Fotos: DRK