Das Feuer im Flüchtlingslager Moria im September 2020 konnte man ja quasi „live“ in den Medien und im Internet miterleben. Menschen, die sowieso nicht viel hatten, verloren das letzte Bisschen auch noch in den Flammen. Und natürlich verfolgte ich daraufhin die Nachrichten vom Bau des neuen Lagers Kara Tepe II in den Medien. Da der DRK-Kreisverband Säckingen e.V., bei dem ich im Rettungsdienst arbeite, mich personell wieder zeitweilig entbehren konnte, war meine Antwort auf die Verfügbarkeitsabfrage aus dem DRK-Generalsekretariat in Berlin „ja“.
Für die zweite Rotation wurde ich dann als Leiter des WASH-Teams eingesetzt. WASH steht für Water, Sanitation and Hygiene Promotion, also Wasser, Sanitärversorgung und Hygieneschulungen. Dies war mein erster Einsatz als Teamleiter.
Mit einem Team von insgesamt zehn Personen war es unsere Aufgabe, für die Menschen im Lager die Versorgung mit Wasser sicherzustellen und durch den Bau sanitärer Anlagen die hygienischen Verhältnisse zu verbessern. Innerhalb von drei Tagen nach dem Feuer in Moria war das Flüchtlingslager auf einem ehemaligen Militärgelände aufgebaut worden, zunächst als Provisorium für bis zu 7.500 Menschen. Auch in Form einer Zeltstadt ist das eine unglaubliche Leistung, die die Armee und die Freiwilligen da erbracht haben. Das DRK hatte dafür seinerzeit 500 Zelte nach Griechenland geflogen.
Das DRK-Team der ersten Rotation konnte schon viel Grundlegendes schaffen: Wassertanks auf Fundamenten errichten, Wasserentnahmestellen einrichten und eine Basis für die Hygieneunterweisungen im Flüchtlingslager schaffen. An uns lag es nun, die Arbeit fortzusetzen und Provisorien in zuverlässige und sichere Lösungen umzuwandeln. Im Rahmen der Übergabe zeigte mir mein Vorgänger das Lager und brachte mich auf den aktuellen Informationsstand.
Die Wassertechniker kümmerten sich darum, für die Waschplätze, die bis dahin auf Kies errichtet waren, Betonfundamente zu organisieren, das Abwasser zu kanalisieren und die Waschstellen zu überdachen. Ein weiteres Team bereitete die Standorte für Duschen vor. Für all das waren auch viele Abstimmungen nötig: Überwiegend mit der Leitung des Lagers und anderen Hilfsorganisationen vor Ort, aber auch mit den griechischen Behörden. Sehr wichtig waren auch die Vorbereitungen zur Versorgung mit warmem Wasser, das nun endlich da ist (Stand: Mitte Dezember 2020).
Neben den Teams, die überwiegend im Flüchtlingslager arbeiteten, hatte ich im Büro, das wir vom Griechischen Roten Kreuz zur Verfügung gestellt bekommen hatten, noch eine Logistikerin und einen Finanzadministrator zur Seite. Sämtliche Beschaffungen müssen auch in solch einer Lage regelhaft ablaufen und verbucht werden. Das sind wir unseren Spendern schuldig.
Allerdings ist unsere Hilfe nicht auf die Errichtung und den Betrieb von Anlagen beschränkt. Weil für uns immer der hilfebedürftige Mensch im Mittelpunkt steht, ist ein weiteres wesentliches Element solcher Einsätze das Team „Hygiene Promotion“ (HP). Denn durch bessere Hygiene lassen sich viele Krankheiten vermeiden. Die HP-Delegierten versuchen zunächst, sich ein Bild der hygienischen Verhältnisse zu machen. In gezielten Gruppengesprächen mit Bewohnerinnen und Bewohnern des Lagers wurde erfasst, ob und wie die Toiletten in Anspruch genommen werden. Wenn nicht, wurden die Gründe dafür ermittelt.
Es wurde nach dem Kenntnisstand in Sachen Körper- und besonders Händehygiene gefragt, bei den Frauen auch in Sachen menstrueller Hygiene. Aus den Ergebnissen dieser Gruppen- und Einzelgespräche wurde ein Schulungsprogramm erstellt. Dann wurden Teams von Multiplikatoren ausgebildet, die die Menschen meist in ihrer eigenen Sprache schulen konnten. Falls die Sprache ein Problem darstellte, fanden sich immer Menschen, die übersetzen konnten. Ein Bewohner des Flüchtlingslagers mit künstlerischen Fähigkeiten unterstützte das Team mit entsprechenden gemalten Bildern.
Die Corona-Pandemie machte natürlich auch vor unserer Mission nicht Halt. Wir brauchten einen Test zur Einreise nach Griechenland. Einen Mund-Nasenschutz zu tragen war sowieso vorgegeben. Das Hygienekonzept des DRK umfasste beim Einsatz auf Lesbos u.a. auch das tägliche Messen unserer Körpertemperatur. In der ersten Woche meiner Anwesenheit konnten wir wenigstens gemeinsam abends etwas essen gehen. Dann verhängte auch die griechische Regierung Ausgangsbeschränkungen.
Für unsere Tätigkeiten hatten wir eine Bescheinigung, die uns die nötige Bewegungsfreiheit sicherte. Die meisten Geschäfte, die wir brauchten, waren geöffnet – also Baustoffhändler und Baumärkte, aber auch Lebensmittelmärkte. Teambesprechungen fanden als Videokonferenzen statt. Persönliche Kontakte wurden möglichst vermieden. Wenn doch, dann auf Abstand und mit Maske.
Ich bin sehr stolz auf mein Team. Für uns alle stand immer der Einsatzauftrag im Vordergrund, und es wurde sehr gute und engagierte Arbeit geleistet, und wir hatten trotz der widrigen Umstände eine tolle Gemeinschaft.
Auch am Ende meiner Zeit dort hatte ich einen Tag Zeit, die Lage und das Team an meine Nachfolgerin zu übergeben. Und immer hinterlässt man nach so einem Einsatz auch ein Stück Herz dort. Aber das ist gut so. Schließlich sind wir Menschen.
Fotos (wenn nicht anders angegeben): Christoph Dennenmoser/DRK