Kirgistan: Wichtige Erfolge für die Bewältigung von Extremwetterereignissen - DRK e.V.
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Kirgistan: Wichtige Erfolge für die Bewältigung von Extremwetterereignissen

Mit dem Jahr 2021 hat auch das dritte und letzte Jahr des DRK-Projekts zur vorausschauenden humanitären Hilfe in Kirgistan begonnen. Gemeinsam mit dem Kirgisischen Roten Halbmond und finanzieller Förderung durch die Deutsche Bank Stiftung führt das Deutsche Rote Kreuz diese innovative Form der Hilfe im Land ein – Projektleiter Shavkat Abdujabarov über Erfolge und die Pläne für 2021.

Frühes Handeln und warme Mahlzeiten

Shavkat Abdujabarov weiß, dass fundierte Wettervorhersagen für die vorausschauende humanitäre Hilfe eine wichtige Grundlage sind. Sie helfen zu helfen, bevor Wetterextreme eintreffen.

Die letzten zwei Jahre sind schnell vergangen und wir haben viel erreicht in unserem Projekt zur vorausschauenden humanitären Hilfe (Forecastbased Financing), trotz Coronapandemie und Einschränkungen. So haben wir sowohl unser Frühwarnprotokoll für Kältewellen (im Januar/Februar 2020) als auch für Hitzewellen (August 2020) getestet. Ziel der Probeläufe war es, die Verteilung von Hilfsgütern – etwa Lebensmittelpaketen oder Hygienesets – in vorausgewählten Gemeinden rechtzeitig vor Eintritt von extremen Kälte- und Hitzewellen zu arrangieren. Wir wollten auch sehen, wie effektiv unsere ausgearbeiteten Maßnahmen die Folgen von extremer Kälte und Hitze für gefährdete Menschen verringern. Gleichzeitig konnten wir prüfen, wie schnell der Kirgisische Rote Halbmond reagieren kann und wie gut die Koordination mit den lokalen Behörden beim Katastrophenschutz innerhalb der von den Vorhersagen gegebenen Vorlaufzeit funktioniert.

Die strategisch günstigen Standorte der vier neuen Lagerhäuser erleichtern die Lieferung der Hilfsgüter in die besonders gefährdeten Gemeinden und sparen so wertvolle Zeit.

Weil obdachlose Menschen eine der Bevölkerungsgruppen sind, die durch winterliche Kälte am meisten gefährdet sind, haben wir sie gesondert berücksichtigt. Im Rahmen unserer Tests für Kältewellen erhielten beispielsweise 600 Wohnungslose in vier Unterkünften der Stadt Bischkek während der kältesten Wintertage im Januar, Februar und Dezember 2020 warme Mahlzeiten.

Gewappnet für die kältesten Tage: Eine Empfängerin der Winterhilfsgüter ist dankbar.

Neue Lagerhäuser und aktuelle Notfallpläne

Das bisher Erreichte soll nachhaltig wirken können. Dafür treffen wir entsprechende Vorkehrungen: So haben lokale Projektmitarbeiter, aber auch Mitarbeiter und Freiwillige, die an der Entwicklung und Umsetzung der Frühwarnprotokolle beteiligt waren, im Februar 2020 an einem Workshop zur Überarbeitung des Nationalen Notfallplans mitgewirkt. Gemeinsam mit weiteren Experten haben sie Standardrichtlinien in Bezug auf Hitze- und Kältewellen entwickelt, die nach weiterer Abstimmung im Nationalen Notfallplan ergänzt werden. So stellen wir sicher, dass der Kirgisische Rote Halbmond den Ansatz der vorausschauenden humanitären Hilfe auch nach Ende des Projekts nutzen kann. Für extreme Jahre gelten auch nach Projektende weiter die Frühwarnprotokolle, die internationale Hilfsgelder aus Genf automatisch zugänglich machen, wenn Vorhersagen sehr kritische Level erreichen.

Zur Erweiterung der Kapazitäten des Roten Halbmonds haben wir 2020 zudem vier Lagerhäuser gebaut: in Bischkek, Naryn, Osch und Jalal-Abad. Anschließend haben wir die Lager mit wichtigen Hilfsgütern bestückt, sodass 400 Hilfspakete für den bevorstehenden Winter 2020/21 zur Verfügung standen.

Winterhilfe 2021: Nahrung, Kohle und Decken

Da sich Mitte Januar in einigen Provinzen ein deutlicher Rückgang der Temperaturen abzeichnete, haben wir unser Frühwarnprotokoll für Kältewellen abermals getestet. Am 18. Januar erreichten die Vorhersagen die kritischen Level und es gab den Startschuss für die frühen Hilfsmaßnahmen: Die Lieferanten begannen Lebensmittelpakete und Kohle zu packen und auszuliefern, die Leiter der Rothalbmond-Niederlassungen stimmten sich mit den beteiligen Behörden und Gemeinden ab und trugen Listen der Begünstigten zusammen.

Schließlich erhielten 400 bedürftige Familien innerhalb kürzester Zeit je ein Paket mit Lebensmitteln, ein Wärmepaket sowie sieben Säcke Kohle à 35 kg, um die kälteste Zeit zu bewältigen. Oft sind durch Kälte und Schnee die Straßen zu und der Zugang zu Märkten ist nicht mehr möglich. Das Lebensmittelpaket enthielt unter anderem Mehl, Zucker, Tee und Salz sowie Makkaroni, Reis, Buchweizen, Bohnen und Pflanzenöl, während die Wärmepakete vier Matratzen, vier Decken, 20 Quadratmeter Bodenisolierungsmaterial, eine elektrische Heizung und Fensterisolierung umfassten.

Was wir gelernt haben

Die Tests der Frühwarnprotokolle haben uns wichtige Erkenntnisse gebracht: Der Probelauf für die Aktivitäten bei Hitzewellen im August 2020 beispielsweise führte dazu, die Vorlaufzeit im Frühwarnprotokoll zu überdenken, denn um Aktivitäten rechtzeitig durchführen zu können, erschien eine 5-Tage-Vorhersage etwas zu kurz. Nach weiteren Analysen hat unser Team schließlich eine 7-Tage-Vorhersage im Protokoll festgelegt. Sie bietet mehr Vorlaufzeit zum Handeln, bevor eine Katastrophe eintritt. Die Auswertung unseres Probelaufes für Kältewellen lieferte außerdem wichtige Erkenntnisse zur weiteren Optimierung der Zusammensetzung der Lebensmittelpakete.

An den Verteilpunkten der Hilfsgüter wurden alle Mitarbeiter sowie Freiwilligen mit Masken, Handschuhen und Handdesinfektionsmittel ausgestattet.

Was es heißt, sich an eine neue, unerwartete Krise in Form einer globalen Pandemie mit weitreichenden Folgen für alle Lebensbereiche anzupassen – auch mit dieser Herausforderung war das Projektteam 2020 konfrontiert. Wir haben einige Projektaktivitäten neu geplant, insbesondere Veranstaltungen mit vielen Menschen wie Workshops oder Schulungen, aber auch Simulationsübungen und Reisen.

Persönliche Treffen haben wir – so möglich – virtuell durchgeführt oder verschoben. Für die Zeit des strengen Lockdowns ist das FbF-Team in eine Fernarbeitsphase übergegangen. Die Priorität während dieser Zeit lag darauf, das Frühwarnprotokoll für Hitzewellen weitestmöglich voranzutreiben. Das Protokoll haben wir zudem in Einklang mit den Richtlinien des Gesundheitsministeriums und der WHO durch einen Notfallplan für pandemie-bedingte Einschränkungen in der Projektarbeit ergänzt.

Unbeschwertes Schlendern: Eine Straßenszene in Bischkek 2019. Im Folgejahr war dies durch die Covid-19-Pandemie kaum möglich.

„Es liegt ein spannendes Jahr vor uns“

Trotz aller Herausforderungen im Jahr 2020, vor allem im Zusammenhang mit der Pandemie, gelang es uns, frühzeitige Hilfsmaßnahmen bei Hitze- und Kältewellen durchzuführen. Es gab auch keine nennenswerten Verzögerungen des Projekts. Das FbF-Team hat großartige Arbeit geleistet. Darauf können wir stolz sein, denn so haben wir die Möglichkeit, die humanitären Folgen der zunehmenden Extremwetterereignisse für die gefährdete Bevölkerung zu mildern – sowie die Bedeutung und Notwendigkeit der vorausschauenden humanitären Hilfe in Kirgisistan zu erleben.

Auch im letzten Projektjahr stehen wichtige Aufgaben an. Aktuell sind wir in der letzten Phase des Frühwarnprotokolls für Hitzewellen. Dieser Tage stellen wir es der Leitung des Kirgisischen Roten Halbmonds vor, um es danach in ihrem Namen bei der Internationalen Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmond-Gesellschaften zur Bestätigung einzureichen. Wir hoffen, das Protokoll wird im Sommer genehmigt sein. Bis zum Spätsommer wollen wir das Frühwarnprotokoll für Kältewellen finalisiert haben, sodass es zum Abschluss unseres Projekts auch formal anerkannt ist. Gleichzeitig verfolgen wir weiterhin das Wetter im Land, um schnell auf Hitze- und Kältewellen reagieren zu können und Menschen zu unterstützen. Es liegt ein spannendes Jahr vor uns!

Fotos: N. Chynalieva/DRK, K. Puche/DRK, S. Abdujabarov/DRK, Kirgisischer Roter Halbmond
Übersetzung und Redaktion: Marina Schröder-Heidtmann

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