Kältehilfe in Kirgistan: „Die Menschen wissen, von wem sie Hilfe erhalten” - DRK e.V.
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Kältehilfe in Kirgistan: „Die Menschen wissen, von wem sie Hilfe erhalten”

Nach monatelanger Wartezeit, mehrfachen coronabedingten Terminverlegungen und Bangen war es einer kleinen DRK-Delegation im Oktober endlich möglich, nach Kirgistan zu reisen und – unter anderem – Tash Bashat zu besuchen. Ein Dorf, in dem der Kirgisische Rote Halbmond mit Unterstützung des DRK und finanzieller Förderung der Deutsche Bank Stiftung vorausschauende humanitäre Hilfe bzw. Kältehilfe leistet.

Der Weg nach Tash Bashat ist steinig und staubig, Pferde sind ein gebräuchliches Verkehrsmittel.

Zu Besuch in Tash Bashat

Die buckelige Schotterstraße nach Tash Bashat führt durch eine bergige, karge Landschaft. Andere Wagen, außer den Fahrzeugen des Kirgisischen Roten Halbmonds, sind zumindest im Winter selten zu sehen. Pferde sind für diejenigen in der Region, die es sich leisten können, wichtige Transporthelfer, jedoch wird es je nach Schneemenge auch für diese so robusten Tiere schwierig. „Im Sommer ist das Dorf zwar recht gut zugänglich, im Winter jedoch nur schwer zu erreichen“, bereitet Zamir Duisheev die kleine DRK-Delegation auf ihren Besuch vor. Der lokale Programmkoordinator für vorausschauende humanitäre Hilfe begleitet das Team, schließlich ist er hier regelmäßig unterwegs, kennt die Gegend und die Menschen.

Vorausschauende humanitäre Hilfe, auch Forecast-based Financing (FbF) genannt, ist ein innovativer Ansatz, Menschen auf Grundlage von (Wetter-)Vorhersagen zu helfen, bevor es zur Katastrophe kommt. Der Kirgisische Rote Halbmond und das Deutsche Rote Kreuz haben diesen Ansatz in den letzten drei Jahren mit finanzieller Förderung durch die Deutsche Bank Stiftung in Kirgistan eingeführt. Sind nun außergewöhnlich heftige Kältewellen zu erwarten, werden alle betroffenen Gemeinden informiert. Besonders bedürftige Familien in sorgfältig ausgesuchten Dörfern erhalten außerdem konkrete Kältehilfe in Form von Hilfsgütern.

Eines der ersten Dörfer, in denen FbF-Hilfsgüter verteilt wurden

Im Oktober liegt in den höheren Lagen Naryns bereits Schnee. In Naryn dauert der Winter sechs Monate.

Die Abgelegenheit von Tash Bashat ist ein Grund, weshalb es in der Vergangenheit kaum von Hilfsprojekten profitiert hat, obwohl es nur vierzig Autominuten von der Bezirkshauptstadt Naryn entfernt liegt. Für das FbF-Projekt wurde es indes gezielt ausgewählt, denn Tash Bashat gehört zu den Orten, in denen die Wintertemperaturen am tiefsten sinken, bis zu -44 °C. Der lokale Projektkoordinator weiß das zu verdeutlichen: „Es kommt immer wieder vor, dass Menschen erfrieren. Sie wollen nach ihren Tieren schauen und kommen einfach nicht zurück.“

Tash Bashat war eines der ersten Dörfer, in denen der Rote Halbmond Winterhilfe geleistet hat. Fünfzig Familien erhielten im Januar 2020 im Rahmen eines Tests des FbF-Projekts verschiedene Hilfsgüter, um die kältesten Tage zu überstehen: Nahrung, Matratzen, Decken, Boden- und Fensterisolierungsmaterial, aber auch eine elektrische Heizung und 245 Kilogramm Kohle.

„Im Winter bräuchten wir eine Tonne Kohle pro Monat“

Einige der Familien stellt Zamir Duisheev dem DRK-Team vor – auch Askar Osmonov, Witwer und dreifacher Vater. Seine älteste Tochter besucht eine Hochschule in Bischkek. Zuhause jedoch kümmert sich der ehemalige Saisonarbeiter nicht nur um seine jüngeren Kinder im Alter von 11 und 14 Jahren, sondern auch um seine Eltern – seine Mutter hat Diabetes und ist erblindet. Die Familie lebt in einem winzigen Haus mit zwei Räumen und Außentoilette.

Weil er keiner Arbeit nachgehen kann, baut Askar Osmonov Kartoffeln an und hält Schafe, um seine Familie zu ernähren. Ansonsten lebt die Familie einzig vom Kindergeld, das für Witwer zwar höher ausfällt, dennoch aber knapp bemessen ist. Die 7.000 Soms (ca. 72 Euro, Stand 13.11.2021) sind schnell aufgebraucht. Askar Osmonov erzählt: „Die Heizkosten sind sehr hoch, eigentlich bräuchten wir im Winter eine Tonne Kohle pro Monat. Für 6.000 Soms können wir uns das aber nicht leisten.”

Deshalb greift der Familienvater auf getrockneten Dung zum Heizen zurück, der mit 3.500 Soms pro Wagenladung immer noch teuer für die Osmonovs ist. „Wir haben meist Kosten in Höhe von rund 9.000 Soms (ca. 93 Euro, Stand 13.11.2021) im Monat. Deshalb muss ich manchmal eines meiner Schafe verkaufen”, sagt Askar Osmonov. „Die Kartoffelernte ist dieses Jahr leider ausgefallen. Erst war es zu nass und dann wurde es zu früh kalt.”

„Im Winter heizen wir nur zwei Räume“

Auch Akin Isakowa hat Hilfsgüter vom Kirgisischen Roten Halbmond erhalten. Das DRK-Team trifft die Begünstigte auf dem Weg zum Kindergarten, den ihr dreijähriger Sohn Emil besucht. Seine drei Geschwister sind bereits in der Schule. Akin Isakowa ist seit vergangenem Jahr Witwe.

Sie ist arbeitslos und wie Askar Osmonov auf das Kindergeld angewiesen, das in ihrem Fall insgesamt rund 6.000 Soms (ca. 62 Euro, Stand 13.11.2021) beträgt. Akin Isakowa lädt Zamir Duisheev und das DRK-Team in ihr kleines Haus ein, das nur draußen über einen Wasseranschluss verfügt.

Die Mutter erzählt: „Im Winter heizen wir nur zwei Räume. Heizmittel und Strom sind einfach sehr teuer.“ Deshalb ist sie dankbar für die Hilfsgüter des Kirgisischen Roten Halbmonds. Das Herz des bescheiden eingerichteten und ordentlichen Hauses ist das ans Schlafzimmer angrenzende Wohn-, Ess- und Hausaufgabenzimmer der Familie. Zentral in diesem Raum steht die mobile Heizung, die die Familie vom Kirgisischen Roten Halbmond erhalten hat.

Wissen und Vertrauen bleiben

Familien wie die Isakows oder Osmonovs profitieren im Zuge des Projekts einmal von den Hilfsgütern. Weil der Hilfsbedarf sehr hoch ist – 40 Prozent der Menschen Naryns leben in Armut –, wurden im Rahmen des Projektes die Prozesse zur Hilfsgüterverteilung getestet und jeden Winter andere Dörfer begünstigt. Ziel ist es, den bedürftigsten Menschen über die kältesten Tage zu helfen. Der Besuch in Tash Bashat zeigt, dass das funktioniert. Gleichzeitig gibt es einiges, das bleibt. Seien es wärmende Decken oder wichtiges Wissen.

Im Dorfzentrum etwa, gleich neben der Gemeindeverwaltung und von weitem sichtbar, hängen zwei große Schilder des Kirgisischen Roten Halbmonds, die den Menschen immer wieder in Erinnerung rufen, was vorausschauende humanitäre Hilfe ist und wie sie sich selbst und ihre Lieben vor Hitze- oder Kältewellen schützen können.

Zamir Duisheev (rechts) ist lokaler Projektkoordinator für den Kirgisischen Roten Halbmond.

Auch bleibt das Vertrauen in den Roten Halbmond, denn dieser bleibt in der Region präsent und steht den Hilfsbedürftigen bei. „Die Menschen wissen, von wem sie Hilfe erhalten“, fasst der lokale Projektkoordinator Zamir Duisheev zusammen. Zudem wissen sie, dass die Helfenden umsichtig arbeiten. So haben die Dorfbewohnerinnen und -bewohner die Auswahl der Begünstigten als sehr fair empfunden. Zamir Duisheev erklärt dazu: „Der Prozess ist aufwändig, gemeinsam mit unseren Freiwilligen haben wir von morgens bis abends Tür-zu-Tür-Befragungen durchgeführt, um die Lebenssituation der Menschen zu ermitteln, damit diejenigen profitieren, die besonders gefährdet sind.“

Vorbereitung auf einen schweren Winter

Während des DRK-Besuchs in Tash Bashat steht der Winter schon an der Tür, hat seine Hand gar an der Klinke: Zamir Duisheev und die Dorfbewohner berichten, dass es kälter ist als in den Jahren zuvor um diese Zeit. Auch wenn noch keine Kältewelle abzusehen ist, so bereiten sich alle auf einen schweren Winter vor. Der Rote Halbmond hat sein Lager bereits aufgestockt mit Hygieneartikeln, Küchenutensilien und anderen Hilfsgütern.

Fotos: M.Meyer/DRK, K. Dellbrügger/DRK, DRK
Text: Marina Schröder-Heidtmann

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