Hala Hassan studiert Medizin und ist außerdem als Rettungssanitäterin Teil des Ambulanzdienstes des Syrischen Arabischen Roten Halbmondes (SARC) in Latakia. Sie hatte in der Nacht des Erdbebens Dienst und versuchte zwischendurch vergeblich ihre Eltern zu erreichen, doch die Netzwerke waren stark überlastet. Sie wusste also eine Weile nicht, ob es ihren Familienmitgliedern gut ging.
Hala erinnert sich: „Das Erdbeben ereignete sich gegen 4:30 Uhr morgens während meiner 24-Stunden-Schicht. Wir alle waren schockiert, so etwas hatten wir noch nie zuvor erlebt. Wir stiegen in die Krankenwagen und fuhren zu verschiedenen Orten, wo Häuser eingestürzt waren. Wir sahen die entsetzten Menschen und hörten sie vor Angst rufen.“
Die junge Frau versucht, das Erlebte einzuordnen: „Rückblickend habe ich gemischte Gefühle. Eine solche Situation zum ersten Mal zu bewältigen, machte mir Angst. Und die leidenden Menschen zu sehen, machte mich traurig. Aber diesen Notleidenden helfen zu können, tat mir auch ein wenig gut. Wir hatten keine andere Wahl, sammelten unsere Kräfte und rissen uns zusammen. Wir mussten Ruhe bewahren, wir mussten uns einfach auf das konzentrieren, was wir taten.“
Die Katastrophe forderte über 59.259 Tote und 125.000 Menschen wurden verletzt. Mehr als 280.000 Gebäude sind eingestürzt oder beschädigt worden. Insgesamt waren rund 17,9 Mio. Menschen betroffen, viele haben ihren gesamten Besitz verloren.
Jamoul Fakro ist 66 Jahre alt und voller Hoffnung, dass sie, ihre Tochter und ihre vier Enkelkinder nicht noch einmal umziehen müssen, sondern endlich in ihrem neuen Zuhause bleiben können. Die Rentnerin lebt nach fünf Umzügen innerhalb weniger Jahre nun in einem bescheidenen kleinen Haus in Bani Zeid in Aleppo.
Aufgrund des andauernden Konflikts in Syrien hat sie bereits mehrfach ihr Heim verloren. In dieser Zeit starb auch ihr Mann, umso mehr war sie auf die Hilfe ihrer Angehörigen angewiesen.
Dann geschah das Erdbeben, das in der Türkei und in Syrien im Februar 2023 fast 60.0000 Menschenleben forderte. Jamoul schildert: „Alles wackelte fürchterlich. Die Decke unseres Wohnzimmers stürzte ein, das Haus wurde unbewohnbar. Wie durch ein Wunder wurden meine Enkel, meine Tochter und ich nicht verletzt.“
Jamoul fühlte sich so hilflos, als sie sich kurz darauf zum ersten Mal in der neuen, ihr zugewiesenen Unterkunft umschaute, denn nichts war vorbereitet. Doch der SARC unterstützte sie schnell tatkräftig mit Matratzen, Decken und Küchenutensilien, aber auch mit Lebensmitteln für die Familie. Zudem wurden stabilere Türen und Fenster eingebaut.
„Das gab mir ein Gefühl der Sicherheit nach all diesen schwierigen Jahren. Jetzt hoffe ich, dass meine Enkel, meine Tochter und ich hier gut leben können, auch dank der Hilfsgüter und der Bargeldhilfen, die wir erhalten haben."
Ich bin 39 Jahre alt und seit 2009 ehrenamtlich beim SARC in Aleppo. Als Leiter der Katastrophenhilfe-Einheit habe ich vieles erlebt. Früher hatten wir vielleicht ein oder zwei Einsätze pro Monat. Doch mit dem Ausbruch der Krise im Jahr 2011 änderte sich alles. Der Bedarf an freiwilligen Helfern stieg enorm, die Hilfseinsätze wurden intensiver. In Aleppo wurden betroffene Familien in Flüchtlingszentren, Schulen, Moscheen und Kirchen untergebracht. In Zusammenarbeit mit den Behörden und anderen Hilfsorganisationen leistete der SARC umfangreiche Hilfe.
In den letzten Jahren hat die Lage in Aleppo sich langsam etwas normalisiert. Viele Menschen kehrten in ihre Häuser, zu ihren Arbeitsplätzen und in die Geschäfte zurück. Dies war ein Hoffnungsschimmer für viele.
Das Erdbeben im Februar 2023 war für uns eine fürchterliche Katastrophe. Die Anzahl der beschädigten Gebäude war überwältigend und viele Familien mussten ihre Häuser verlassen. Die Hilfsarbeiten liefen rund um die Uhr, in enger Zusammenarbeit mit anderen lokalen Organisationen.
In Sammelunterkünften wurden die Familien vorerst mit dem Nötigsten versorgt – sie erhielten Lebensmittel, Medikamente usw. Doch der Schaden war immens und viele Familien konnten nicht in ihre Häuser zurückkehren. Einige Gebäude zeigten nur leichte Schäden und die Familien konnten bleiben, doch auch diese bedurften dringend der Instandsetzung. Andere Wohnungen sind weiter zerstört, und es wird sehr viel Geld kosten, alles wieder bewohnbar zu machen.
Trotz aller Schwierigkeiten gibt es für mich immer Hoffnung – und meine Arbeit gibt mir die Möglichkeit, einen Unterschied im Leben derer zu machen, die unsere Hilfe am meisten benötigen. Unsere Arbeit geht weiter!
Im Herzen von Latakia, im Viertel Dahiyat al-Basel, lebt Eyad Ahmad, ein 49-jähriger Mann, der als Vater von sechs Kindern viel Verantwortung trägt. Seine Familie und er haben schwere Zeiten durchgemacht.
Die anhaltende Krise in Syrien führte zu einer Verschlechterung des wirtschaftlichen Umfelds in der Region. Eyad und seine Familie mussten improvisieren, um ihren Lebensunterhalt zu sichern. Doch dann verschärfte sich die Situation buchstäblich auf einen Schlag. Eyad erinnert sich genau an das Erdbeben: „Wir dachten, unser Haus würde einstürzen. Es wurde so stark beschädigt, dass wir in die Stadt umziehen mussten.“ Das brachte neben anderen Problemen auch höhere Lebenshaltungskosten mit sich. Und auch die Schulbildung für die Kinder ist hier teurer.
Nach der Katastrophe bekam er Unterstützung in Form von Bargeldhilfen, die Eyad gut nutzen konnte. So konnte er das beschädigte Zuhause reparieren und Rechnungen begleichen, die sich in der Anfangsphase der Katastrophe angehäuft hatten. Er und sein Sohn öffneten vor Kurzem ein kleines Geschäft, wo sie Gemüse und Obst verkaufen. Das ist für Eyad ein wichtiger Schritt, um weiterhin für sich selbst sorgen zu können.