Michael Heerde ist einer dieser Experten, die sich für das DRK sogleich auf den Weg nach Libyen machten. Der ausgebildete Tierarzt engagiert sich in seiner Freizeit bei der Wasserwacht beim Berliner DRK-Kreisverband Wedding/Prenzlauer Berg.
Seine Ausbildung für internationale Einsätze (die neben dem sogenannten WASH-Training noch eine Vielzahl anderer umfangreicher sicherheits- und rotkreuz-relevanter Trainings umfasst) war noch ganz frisch, als er sich schon in einem schwierigen Einsatz bewähren musste.
In der besonders betroffenen Stadt Darna brachen zwei Dämme, sodass riesige Wassermassen ganze Stadtteile überfluteten und zerstörten. Viele Gebäude und das einzige Krankenhaus der Stadt wurden beschädigt, auch viel kritische Infrastruktur – Straßen, Elektrizität, Wasserversorgung etc. wurde zerstört. Die Freiwilligen des Libyschen Roten Halbmondes (LRH) vor Ort waren die ersten, die Evakuierungen sowie Such- und Rettungsaktionen durchführten.
Die Abkürzung steht für die Wasser-, Sanitär- und Hygieneversorgung in humanitären Krisensituationen oder dort, wo Menschen keinen nachhaltigen Zugang zu einer sicheren Wasser- und Sanitärversorgung haben. Die WASH-Experten sind gefragt, wenn z.B. nach einer Katastrophe für die Betroffenen Trinkwasser bereitgestellt werden muss, Abwasser zum Problem wird, oder Seuchenrisiken entstehen. Zudem ist WASH eine Voraussetzung für andere Nothilfe, z B. den Aufbau und das Betreiben von Gesundheitseinrichtungen, Notunterkünften etc.
Ich betrachte es als ein Privileg, dass ich zu meinem ersten Einsatz als Teil unseres WASH SURGE-Teams* entsandt wurde, um unseren Partner, den LHR in Darna zu unterstützen, ganze sechs Monate nach Abschluss meiner umfassenden Einführungsschulungen und intensiven Trainings.
*) Ein WASH SURGE-Team ist eine spezialisierte Einheit, die sich auf die schnelle Bereitstellung von Wasser, Sanitärversorgung und Hygiene in Not- und Krisensituationen konzentriert. Der Begriff "SURGE" steht für "Scaling Up Risk Reduction and Emergency Response" und bedeutet, schnell und effektiv auf humanitäre Krisen zu reagieren. WASH SURGE-Teams umfassen in der Regel Fachkräfte aus verschiedenen Bereichen, darunter Ingenieure, Gesundheitsexperten, Logistiker und Trainer. |
Unsere erste Herausforderung war enorm: Innerhalb von nur wenigen Tagen mussten wir die freiwilligen Helfer des LHR in die Lage versetzen, ein von uns geliefertes Trinkwasseraufbereitungssystem zu bedienen, um eine kontinuierliche Trinkwasserversorgung für ihre betroffene Gemeinde sicherzustellen. Jedes unserer sogenannten M15-Systeme eignet sich für Regionen, in denen die Menschen sehr zerstreut wohnen. Es kann insgesamt ca. 15.000 Menschen mit sauberem Wasser versorgen, oder auch bei medizinischen Einrichtungen eingesetzt werden.
Die theoretischen Grundlagen und Simulationen, die wir speziell während unseres WASH-Trainings in Berlin im Mai 2023 gemeistert hatten, verwandelten sich schnell in ein komplexes, reales Szenario. Wir wurden mit Aufgaben konfrontiert wie der Bewertung von Quellen, der Fehlersuche im Trinkwasseraufbereitungssystem, dem Navigieren unter sich ständig wechselnder Sicherheitslage (die politische Situation in Libyen ist nicht stabil), der Zusammenarbeit mit verschiedenen Rotkreuz/Rot-Halbmond-Partnern und Regierungsbehörden. Das alles geschah in einem sehr dynamischen Umfeld, das uns immer wieder vor neue Herausforderungen stellte.
Das war für mich eine außergewöhnlich steile Lernkurve, die ich dank der unerschütterlichen Unterstützung unserer Gemeinschaft aus “WASHies“ meistern konnte. Wolfgang Schön diente mir als Mentor vor Ort, während mein Ausbilder während der WASH-Einführungsschulung, Frank Tantzky mir als „Telefonjoker" in Deutschland zur Seite stand. Diese bedingungslose Hilfe und Zusammenarbeit war ein wichtiger Erfolgsfaktor.
Zu den schönsten Momenten dieses Einsatzes gehörten die Trainingseinheiten mit den LRH-Freiwilligen. Ungeachtet der persönlichen Tragödien in ihrem unmittelbaren Umfeld zeigten sie ein enormes Engagement, außergewöhnliche Kompetenz und eine entschlossene Einstellung zu ihrer Arbeit.
So konnten wir dann nach einem Monat die Heimkehr antreten in dem Gefühl, dass wir gemeinsam mit den nun von uns gut eingearbeiteten Kollegen vom LRH eine solide Basis geschaffen hatten, damit die Menschen in Darna trotz der Krise Zugang zu sauberem Wasser haben. Ganz besonders freut mich, dass einige der libyschen Freiwilligen auch heute noch über WhatsApp den Kontakt suchen und so auch ein persönlicher anhaltender Austausch bestehen bleibt.
Alles in Allem war diese Transformation vom WASH-Neuling zum WASH-Trainer der Freiwilligen vor Ort in Darna ein entscheidender Moment in meiner „Karriere“ als humanitärer Helfer für das DRK. Seit diesem Einsatz bilde ich mich weiter im WASH-Segment fort und bereite mich auf neue Einsätze vor. Auch ist angedacht, meine Kenntnisse als Tierarzt, speziell im Bereich der Bekämpfung von vom Tier übertragenen Krankheiten im WASH-Bereich einzubringen.
Um auch EU-weit in Katastrophenlagen unterstützen zu können, habe ich mich für den Union Civil Protection Mechanism (UCPM) als Freiwilliger gemeldet. Zudem macht es mir Spaß, in meinem Kreisverband in der Wasserwacht – einem völlig anderen Segment - aktiv zu sein. Gerade das Verständnis der Freiwilligenarbeit betrachte ich als großes Plus für Einsätze wie diesen in Libyen.