Als ich das Katastrophengebiet mit einer Katastrophenschutzeinheit des Japanischen Roten Kreuzes erreichte, war ich mit einer Zerstörung konfrontiert, die ich mir nie hätte vorstellen können. Während meiner 60-jährigen humanitären Arbeit habe ich schon viele schreckliche Naturkatastrophen erleben müssen. Aber was in Japan passiert ist, übertrifft das alles. Die Zerstörung war absolut. Ich fühlte mich an Osaka, Hiroshima und Nagasaki nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs erinnert.
Das Japanische Rote Kreuz war als erstes vor Ort und half. Und wie schon nach der Atombombenexplosion von Hiroshima 1945, wo nur das Rotkreuz-Krankenhaus die Zerstörung überstand, war auch diesmal nur das Rotkreuz-Krankenhaus in Ishinomaki in der Miyagi Präfektur, heil geblieben. Schnell war es mit Überlebenden gefüllt: Leicht- und Schwerverletzten, Verwaisten und Obdachlosen.
Während ich diese Zeilen schreibe, müssen wir 12.000 Menschen betrauern, 15.000 weitere werden noch vermisst. Hunderttausende Überlebende haben ihre Angehörigen und ihr Heim verloren. Ihr ganzes Lebenswerk wurde durch die Welle weggespült und zerstört. Aber sie haben überlebt. Und es gibt Hoffnung.
Heute bin ich überwältigt von der Solidarität, dem Mitgefühl und der Großzügigkeit, die Menschen aus allen Ländern der Welt uns entgegenbringen. Japan ist eines der größten Geberländer in der Entwicklungshilfe und dem Katastrophenschutz weltweit, aber heute sind wir für die Freundlichkeit und das Mitgefühl dankbar.
Wir werden dafür sorgen, dass es bei der Verwendung der Spenden transparent zugeht. 16 Jahre nach dem Erdbeben in Kobe, werden wir die Verfahren zur Spendenverteilung wieder reaktivieren, um eine gerechte und sinnvolle Verwendung des Geldes zu gewährleisten. Dies ist nicht nur ein Versprechen an die Großzügigkeit der Menschen aus aller Welt, das ist unsere Pflicht gegenüber den Familien, die alles verloren haben.
Vor Japan liegt ein langer Weg zurück zur Normalität. Die unvorstellbare Zerstörungskraft des Tsunamis und des Erbebens könnte durch die Konsequenzen einer nuklearen Verseuchung durch den Unfall in Fukushima noch verstärkt werden. Alles erinnert an das Unglück von Tschernobyl vor 25 Jahren.
Ich denke, dass diese Tragödie, die mein Land auf schlimmste Weise heimgesucht hat, nicht alles andere verdecken sollte. Ich erinnere an die Überflutungen und Erdrutsche in Bolivien und Sri Lanka, die Flüchtlinge an den Grenzen von Libyen und der Elfenbeinküste, Dürre und Nahrungsmittelknappheit in der Sahelzone oder am Horn von Afrika. Und auch die Ausbrüche von Masern, Cholera und Meningitis im Tschad dürfen wir nicht vergessen.
Seit Menschengedenken ist es das erste Mal, dass wir mit einem Tsunami, einem Erdbeben und einer möglichen nuklearen Katastrophe eine sehr komplexe Situation zu bewältigen haben. Obwohl dieses Erdbeben beispiellos ist, müssen wir davon ausgehen, dass solche schwerwiegenden Katastrophen zunehmen werden.
Um unsere Bevölkerung wirksam schützen zu können, müssen wir zukünftig das Undenkbare denken. Wir müssen in den Katastrophenschutz investieren, müssen Risiken, besonders nukleare, minimieren und der Bevölkerung Hilfe zur Selbsthilfe anbieten.
Die letztlich einzige Antwort auf eine solche Tragödie ist gegenseitige Hilfe, ein weltweites Verständnis von Gemeinsamkeit und die Entschlossenheit, sich vorzubereiten. In meinem Land, in Ihrem Land und in allen anderen. Nur so können wir angesichts einer so brutalen Katastrophe zukünftig Leben retten.
Tadateru Konoé
President of the Japanese Red Cross Society
President of the International Federation of Red Cross and Red Crescent Societies (IFRC)